Das Spiegelkabinett in Würzburg ist zwar kleiner als die genannten Räume, aber dadurch intensiviert sich die Wirkung der Spiegeleffekte. in Schönbrunn und Versailles sind die Spiegel den Fenstern entgegengesetzt und diesen in Größe und Form ähnlich. Sie lassen den Raum größer wirken und mildern die Asymmetrie zwischen geöffneter Außen- und geschlossener Innenwand ab. Neben dieser Funktion für die Raumwirkung haben sie noch eine zweite Aufgabe: Sie reichen so tief hinab, dass man sich bequem in ihnen betrachten kann.
In Würzburg entwickeln die Spiegel hingegen ein Eigenleben: Ihre Anordnung, Form und Größe spiegeln nicht Position, Form und Größe der Fenster wieder; zumindest die rundlichen Spiegel sind außerdem so hoch angebracht, dass sie den Menschen wenig dienlich sind. Vielmehr befinden sie sich über Eck und in solcher Höhe, dass sich in den Spiegeln Spiegel spiegeln. Dieses Verwirrspiel zwischen Sein und Schein wird noch dadurch gesteigert, das die Spiegel mit Hinterglasmalerei versehen sind. Während die Spiegel in Schönbrunn und Versailles quasi lakaienhaft das wiederholen, was man ihnen vorsetzt, schränken die Glasmalereien in Würzburg diese Spiegelfunktion ein. Sie erfordern ein genaueres Hinsehen, um Spiegelbild und gemaltes Bild unterscheiden zu können.