Kloster Corvey Rundgang im UNESCO-Welterbe

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Kloster Corvey: Überblick

Kloster Corvey bei Höxter (NRW) leistete im frühen Mittelalter einen bedeutenden Beitrag für die Christianisierung des Abendlandes: Von hier aus erfolgten Kirchen- und Klostergründungen in Nord- und Osteuropa.

  • Das karolingische Westwerk ist das besterhaltene seiner Art.
  • Die Civitas Corvey war eine aufstrebende Stadt vor den Klostermauern Corveys.

Karte: Höxter und Corvey

Von Höxter nach Corvey

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Höxter Altstadt

Höxter (28.500 Einw.) liegt im Osten von NRW an der Grenze zu Niedersachsen. In der mauerumwehrten Altstadt, überragt von den Türmen der St. Kiliani-Kirche, haben sich reich verzierte Fachwerkhäuser erhalten. Etliche sind mit geschnitzten Halbrosetten unter den Fenstern geschmückt, ein schönes Beispiel ist das Adam-und-Eva-Haus. Zu den Sehenswürdigkeiten auf dem Weg nach Corvey zählen das Alte Rathaus (Mitte 12. Jh., Erker von 1622–23) oder das ehemalige Minoritenkloster mit der gotischen Marienkirche.

FGS Holzminden Flotte Weser

Corveyer Allee oder Weser-Ufer

Von der malerischen Altstadt gelangen wir auf zwei Wegen nach Corvey: Die Corveyer Allee führt geradewegs auf das Klostertor zu; der Straßenverkehr ist lästig, aber die Bäume bieten Schatten. Südlich davon, entlang der Weser, verläuft der Uferweg. Er lädt zu einem ruhigen Spaziergang in der Sonne ein. Auf dem Weg nach Corvey durchschreiten wir  das Gelände der Civitas Corvey. Südlich des Klosters wendet sich die Weser in einem scharfen Bogen nach Norden. An dieser Flussbiegung lag einst die „Civitas Corvey“ (Modell der Stadt).

Civitas Corvey – Stadt Corvey

Map Corvey 1250

"Pompeji von Westfalen"

 Zwischen dem Stift Niggenkerken (gegr. 863) im Westen und dem Kloster im Osten entwickelte sich eine Siedlung, die man im 12. Jahrhundert mit Wall und Graben umgab. Die Lage war günstig: Der von West nach Ost verlaufende Hellweg führt hier über die Weser. Die Brücke, die man vor 1255 errichtet hatte, erregte allerdings den Argwohn des benachbarten Höxter. Dort stand schon eine Brücke.

1265 ließen Höxter und der Paderborner Bischof die aufstrebende Stadt überfallen und dem Erdboden gleichmachen. Deren Schicksal erwies sich als Glücksfall für die Archäologie. Denn meist folgt auf die Zerstörung einer Stadt der Wiederaufbau. Hier dagegen, im Boden vor den Klostermauern, ruhen fast unberührt bis in die Gegenwart die Spuren der Civitas Corvey. Sichtbare Spuren sind Teile des Erdwalls, der die Stadt umgab. Für die Landesgartenschau 2023 wurde ein Archäologiepark angelegt. U. a. wurden im „Pompeji von Höxter“ bislang verborgene Fundamente und Keller sichtbar gemacht.

Tom Roden

Tom Roden (Abstecher)

Weiter nördlich hat man die Überreste des Benediktinerklosters Tom Roden freigelegt. Das Foto zeigt im Vordergrund die Grundmauern von Tom Roden, im Hintergrund das Kloster Corvey. Der Gebüschstreifen, der vom Kloster zum rechten Bildrand zieht, markiert den Verlauf des Erdwalls, der die Civitas Corvey umgab.

Kloster Corvey

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Kloster Nova Corbeia

Karl der Große führte über 30 Jahre lang Krieg gegen die Sachsen (772–804). Nach dem Sieg planten Karl und seine Nachfolger den Bau eines Klosters, um die Sachsen zu christianisieren.

Aus der damals bedeutenden Abtei Corbie in Nordfrankreich kamen die ersten Mönche und gründeten 815 das Kloster Nova Corbeia (Neu-Corbie) an dem bislang nicht lokalisierten Ort Hethis in Sachsen (diskutiert werden Neuhaus im Solling und zwei Orte bei den Externsteinen). 822 verlegte man das Kloster an die Weser. Aus Corbeia entwickelte sich der Name „Corvey“.

Plan Corvey

Grundriss Kloster Corvey

Im Südwesten des alten Klostergeländes liegen die Domäne (der dreiseitig mit Scheunen und Ställen bebaute Wirtschaftshof); im Westen die Vorburg mit Tor (1716) und Remise (1730). Im Osten befinden sich Gärten und der Friedhof. Um 1706 erweiterte man das Gelände im Norden um den Abtsgarten, so dass Abtei und Kirche die neue Mitte des Klosters einnahmen.

Klostereingang

Kloster Corvey, westliche Wirtschaftsgebäude Höxter

Wenn wir die Corveyer Allee ostwärts spazieren, bietet sich uns dieser Anblick des Klostereingangs an: Die Brücke führt über einen flachen Graben zum Klostertor. Rechts folgen die Vorburg, der Uhrenturm und Gebäude des Wirtschaftshofs. Durch das Tor sieht man einen Teil der Abtei; die Klosterkirche mit dem Westwerk wird durch die Vorburg verdeckt (die zwei Turmspitzen ragen empor).

Corvey Westwerk (Welterbe Deutschland)

Karolingisches Westwerk

Die Mitte des Westwerks bildet der Zentralbau auf quadratischer Grundfläche. An ihnen schließen im Westen zwei Treppentürme und ein Vorbau, im Norden und Süden Emporenräume, im Osten ein Raum, der den Zentralbau mit dem Kirchenschiff verbindet.
Von 873 bis 885 baute man das Westwerk an die Kirche, die bereits 844 geweiht worden war. Wibald von Stablo ließ um 1150 den Zentralraumbau kappen und Türme und Westfront erhöhen. Möglicherweise wollte er die St. Kiliani-Kirche in Höxter übertrumpfen. 1596 erhielten die Turmdächer ihre spitze Form. Vom Abriss der Klosterkirche nach 1661 blieb das Westwerk verschont.

Grundriss Karolingisches Westwerk und Klosterkirche Corvey. Plan abbaye corvey

Der Grundriss zeigt das karolingische Westwerk (links) und die Klosterkirche (rechts) vor dem Abriss 1661. Es handelte sich um eine dreischiffige Basilika mit zwei Querhäusern (im Süden und Norden). Die Seitenschiffe sind durch einen halbrunden Chorumgang verbunden. 

Karolingisches Westwerk Erdgeschoss

Erdgeschosshalle – Säulen

Durch den Vorbau gelangt man in das Erdgeschoss des Westwerks, von dort geradeaus in die Kirche oder über einen der Treppentürme in die Johanneskapelle im Obergeschoss. In der Mitte des Zentralbaus stehen vier Sandsteinsäulen im Quadrat. Zusammen mit den Pfeilern und Mauern tragen sie neun Kreugratgewölbe. Die Säulenschäfte sind glatt (unkannelliert), tragen aber ein anspruchsvolles Kompositkapitell.

Karolingisches Westwerk im Kloster Corvey - Innen, 1 OG. Johanniskapelle

Johanniskapelle – Malereien

Die Kapelle im Zentralbau reicht über zwei Geschosse und ist von Emporen umgeben. Die große Bogenöffnung der Westempore ist ein Indiz dafür, dass sich dort ein Herrschersitz befand. In den Gewölbeflächen der Westempore haben sich Überreste der Freskenmalerei aus karolingischer Zeit erhalten. So lässt der rötliche Streifen mit goldgelben Akanthusblättern in einer Bogenlaibung die ehemalige Pracht immerhin erahnen.

Die Holzdecke zog man erst 1596 ein.

Corvey - Odysseus + Scylla + Charybdis

Ungewöhnlich ist ein Motiv, das der griechischen Mythologie entstammt und nicht der Bibel: Eine Figur stellt Odysseus dar, der gegen das Meeresungeheuer Skylla, eine Frau mit dem Unterleib von sechs Hunden, kämpft. Eine andere Figur reitet einen Delphin.

Kirche St. Veit

Corvey - 2017-09-23 - Abteikirche, innen (01)

Der heilige Vitus 836 ließ die Karolinger aus der Abtei St. Denis bei Paris die Gebeine des Heiligen Vitus nach Corvey überführen, die fortan zahlreiche Pilger:innen an die Weser lockten. Dann, von 873 bis 885, ließen die Karolinger das monumentale Westwerk errichten. An den Heiligen Veit erinnern die Veitskapelle im Friedgarten und die südliche Statue vor dem Westwerk. Die andere stellt den Heiligen Stephanus dar. Beide Statuen wurden 1746 angefertigt.

Höxter, Corvey, St. Stephanus und Vitus, die Orgel (1)

Abtei

Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges begann der Wiederaufbau des Klosters. Als erstes ließ der Münsteraner Bischof von Galen (1606–78) die alte Kirche abreißen und durch einen Neubau in gotischer Form ersetzen. Von 1699 bis 1706, während der Amtszeit von Abt Florenz von dem Felde (1643–1714), entstanden West- und Nordflügel sowie der Abtsgarten. Bis 1714 kamen der Ost- und der Querflügel hinzu.

Nördlicher Hof

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Die Abtei gruppiert sich mit vier Flügeln um den nördlichen Hof. West- und Ostflügel sind nach Süden verlängert und stoßen an die Kirche mit dem karolingischen Westwerk. Zusammen mit den Querflügel umschließen sie den südlichen Hof, den „Friedgarten“.

Querflügel

Kloster Corvey - Geweihgang (01)

Das 1. Obergeschoss des Querflügels nimmt im Süden der Geweihgang, im Norden der zweigeschossige Barocksaal ein. Er diente früher als Speisesaal, heute als Ausstellungsraum. Daneben befand sich die barocke Klosterbibliothek, die im Jahr 1793 rund 6000 Bücher umfasste.

Herzogliche Wohnräume (Westflügel)

Corvey - 2017-09-23 - Grüner Salon (01)

Im Erdgeschoss des Westflügels liegt die ehemalige Klosterküche mit Rauchfang und Brunnen. Der Schelpekanal, der unter der Abtei hindurchfließt, dient als Abwassergraben.
Im ersten Obergeschoss gelangt man vom Orgelgang in die ehemaligen herzoglichen Wohnräume. Sie sind nach der Tapetenfarbe benannt: Auf den Gelben Salon im Süden folgen der Blaue, Grüne und Rote Salon. Die Muster der Papiertapeten imitieren teure Textilbehänge. Die Räume sind ausgestattet mit Parkett, Ofen, Kronleuchter und schlichter Stuckdecke; ausgestellt sind Möbel des Klassizismus und Biedermeier. Charakteristisch für Barockresidenzen ist die Enfilade, d. h. die Türen liegen in einer Flucht.

Kaisersaal

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Der Kaisersaal, der die gesamte Breite des Westflügels einnimmt, war der repräsentative Empfangs- und Feiersaal der Abtei – erkennbar an den dargestellten Szenen der Deckengemälde: Das große Medaillon zeigt die Hochzeit von Kana, die kleineren stellen biblische Bewirtungsszenen dar. An herausgehobener Position, über den Kaminen, sind Karl der Große und Ludwig der Fromme in voller Größe dargestellt. Die Wandmedaillons sind Kaiser-Porträts. Der Kaisersaal dient bis heute als Veranstaltungsraum und kann für Hochzeiten oder Konzerte gemietet werden.

Seit Kurzem finden im Kaisersaal die Corveyer Sommerkonzerte statt. Unter dem Motto „Die Stars von Morgen“ präsentieren junge Künstler*innen klassische Musik. Informationen und Konzertkarten sind erhältlich bei der Philharmonischen Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe (mehr Infos unter Klassik in OWL). 

Fürstliche Bibliothek (Nordflügel)

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Die Fürstliche Bibliothek ist eine der größten privaten Bibliotheken Deutschlands. Sie nimmt im ersten Obergeschoss fast den gesamten Nordflügel ein. In 15 Räumen stehen 200 Buchvitrinen mit rund 74.000 Bänden. Landgraf Viktor Amadeus von Hessen-Rotenburg hat die Sammlung gegründet. Er brachte seine Bücher aus Rotenburg mit, meist Romane und Reiseliteratur. Sein Nachfolger Herzog Viktor I. von Ratibor und Corvey stellte Hoffmann von Fallersleben als Bibliothekar ein, der hier ab 1860 bis zu seinem Tod 1874 lebte. Er vergrößerte die Sammlung durch den Ankauf wertvoller Exemplare und wissenschaftlicher Literatur.

Heinrich von Fallersleben-Grabmal im Kloster Corvey

Heinrich von Fallersleben

Der Texter der Nationalhymne wurde 1798 als August Heinrich Hoffmann in Fallersleben (bei Wolfsburg) geboren. Um sich u. a. vom gleichnamigen Autor des Struwwelpeter zu unterscheiden, nannte er sich ab 1821 „Heinrich von Fallersleben“. Seine Gedichtsammlung mit dem ironischen Titel „Unpolitische Lieder“ (1840) kostete ihn seine Germanistik-Professur in Breslau. Im Exil auf Helgoland verfasste von Fallersleben das „Deutschlandlied“. 1922 erklärt man den Text, gesungen auf die Melodie von Haydns Kaiserquartett, zur Nationalhymne der Weimarer Republik. Nach 1945 behielt man die Melodie bei, singt aber nur noch die dritte Strophe. Seine letzte Ruhestätte hat von Fallerslebens auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche gefunden.

Galerie der Äbte (Ostflügel)

Galerie der Äbte

Im Ostflügel befinden sich Ausstellungsräume zur Geschichte des Klosters. Sehenswert ist das Modell der Klosteranlage. Die Galerie der Äbte im 1. Obergeschoss ist nach den Porträts benannt, die alle 65 Äbte sowie die zwei Bischöfe darstellen (1714 vollendet). Die Gesichtszüge der ersten 57 Äbte vor Christoph B. von Galen hat der Maler, Tobias Querfurt (1660–1734), frei erfunden.

Abtgarten und Weser-Radweg

Weser-Radweg zwischen Klostermauer und Weser  (Höxter, NRW)

Im Norden und Osten erstreckt sich innerhalb der Klosteranlage ein großes Gartengelände. Im Sommer veranstaltet der Fürst von Corvey, Victor V., das „Gartenfest Corvey“ und öffnet den Gästen seinen Privatgarten. (Infos und Karten unter gartenfestivals.de).

Zwischen der östlichen Klostermauer und der Weser führt eine Allee am Ufer entlang. Es handelt sich dabei um einen Abschnitt des Weser-Radwegs, der auf einer Länge von rund 520 km an der Weser entlang führt. Der Radweg schließt im Süden an den Radfernweg „Romantische Straße“ an. Zusammen bilden sie die D-Route 9

Warum sind Westwerk und Civitas Corvey UNESCO-Weltkulturerbe?

Die UNESCO hat das Karolingische Westwerk und Civitas Corvey zum Weltkulturerbe erklärt, weil drei (von sechs) Weltkulturerbe-Kriterien erfüllt sind:

„Kriterium (ii): Corvey besitzt das einzige nahezu vollständig erhaltene karolingische Westwerk. […] Insgesamt lieferte das Westwerk die Grundlage für weitere technische und bautypologische Entwicklungen in der romanischen und gotischen Sakralarchitektur, die im Barock neu interpretiert wurden.

Kriterium (iii): […] Hier wurde der politische und kulturelle Aufschwung unter den Karolingern am Rande des fränkischen Reiches sichtbar.

Kriterium (iv): Das Westwerk der Abtei Corvey ist ein herausragendes Zeugnis der karolingischen Bau- und Klosterkultur, die nicht nur Ausdruck geistlicher Inhalte und kirchlicher Ziele war, sondern auch Instrument der Herrschaftssicherung und des Landesausbaus. Der ehemals befestigte Klosterbezirk und die aus karolingischen Siedlungskernen um ihn herum gewachsene hochmittelalterliche Stadt sind archäologische Denkmäler und herausragende Zeugnisse des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens im Mittelalter.“ (Übersetzung durch das Auswärtige Amt. Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2277214/e05f51b18a82f6da1f9ac91ac7b3d42e/39-karolingisches-westwerk-civitas-corvey-data.pdf)

Kloster Corvey: Informationen

Adresse Kulturkreis Höxter-Corvey gGmbH
  Schloss Corvey
  37671 Höxter
E-Mail empfang@schloss-corvey.de
Telefon +49 (0) 5271 69 40 10

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