Die UNESCO-Welterbestätte „Obergermanisch-Raetischer Limes“ ist ein Abschnitt der Grenze des Römischen Reichs. Er liegt zwischen Rhein und Donau und wurde ab 120 n. Chr. errichtet. Seit 2005 ist er Teil der transnationalen UNESCO-Weltkulturerbestätte „Grenzanlagen des Römischen Reichs“ – zusammen mit Hadrianswall und Antoniuswall in Groß-Britannien.
Der Obergermanisch-Raetische Limes bestand aus Wall, Graben, Wachtürmen und Kastellen. Das unterscheidet ihn von den zwei benachbarten Limes-Abschnitten, die eigene UNESCO-Welterbestätten sind:
Der NiedergermanischeLimes ist der nördliche Nachbarabschnitt. Er folgt dem Niederrhein und erstreckt sich von Rheinland-Pfalz über NRW bis in die Niederlande. Zur Römerzeit lag dort die Provinz Niedergermanien.
Der Donaulimes ist der südliche Nachbarabschnitt. Er bildete die Nordgrenze der Provinzen Noricum, Pannonia und Moesia. Er war ebenfalls eine Wassergrenze und reichte über Wien bis zur Donaumündung am Schwarzen Meer.
Karte – Stätten des Obergermanisch-Raetischer Limes (Auswahl)
Verlauf des Obergermanisch-Raetischen Limes
Der Obergermanisch-Raetische Limes besteht aus zwei Abschnitten:
Der Raetische Limes als Nordgrenze der römischen Provinz Raetia. Er reicht vom Main zur Donau und liegt in Baden-Württemberg und Bayern.
Der Obergermanische Limes, als Ostgrenze der Provinz Germania superior, erstreckt sich vom Rhein zum Main und liegt in Rheinland-Pfalz und Hessen.
Der Main verbindet beide Abschnitte.
Grenzanlagen
Der Limes bestand aus (gerodetem) Vorfeld, Graben, Wall und Palisaden bzw. Steinmauer. Dahinter standen hölzerne Wachtürme, die die Römer später durch steinerne ersetzten. Einige dieser Wachtürme hat man rekonstruiert. Allerdings sind manche Rekonstruktionen umstritten, da fraglich ist, wie groß die Übereinstimmung mit dem Original ist.
Durchlässe im Limes erlaubten den Personen- und Warenverkehr zwischen dem Römischen Reich und Germanien. Das Limestor Dalkingen (Foto unten) ist im unteren Teil erhalten und im oberen rekonstruiert.
Ein gut ausgebautes Straßennetz verband Wachtürme, Kastelle und Siedlungen. Sichtbare Reste der Römer sind oftmals die Verläufe des Grabens und der Straßen.
Der Limes ist nicht die einzige Grenzbefestigung in Deutschland, die zum Weltkulturerbe zählt. Die Dänen schützten sich vor den Germanen durch das Danewerk, das sich bei Schleswig quer über die Jütlandinsel zieht.
Im Hinterland des Limes lagen einige Legionslager (castrum) und eine Vielzahl kleinerer Kastelle. Stellvertretend für unterschiedliche Erhaltungszustände seien drei Beispiele vorgestellt:
Kastell Boppard am Rhein (besterhaltenes Kastell in Deutschland)
Saalburg: Rekonstruktion eines Kastells
Die Saalburg bei Bad Homburg (Hessen) ist die Rekonstruktion eines römischen Kastells. Eine römische Kohorte war von etwa 135 bis 260 n. Chr. in der Saalburg stationiert. Das Saalburgmuseum informiert über die Geschichtes des Kastells und die Römerzeit. (Webseite: www.saalburgmuseum.de). Das Foto zeigt das Haupttor, die Porta Praetoria, mit Mauer und zwei vorgelagerten Gräben. Das Tor mit zwei Durchfahrten ist von zwei rechteckigen Türmen flankiert, die nicht über die Mauer hinausragen (vgl. dagegen unten Kastell Boppard).
Kastell Saalburg Grundriss
Der Grundriss zeigt das rekonstruierte Kastell Saalburg. In seinem Inneren fand man Überreste des Vorgängerkastells, das kleiner war und einen fast quadratischen Grundriss hatte (84 m x 80 m). Dieses Kastell war eine Holz-Erde-Konstruktion und wurde um 135 n. Chr. planiert.
Das neu errichtete Kastell Saalburg war größer (147 m x 221 m) und hatte eine längsrechteckige Form mit gerundeten Ecken. Die Mauer bestand erst aus Stein und Holz, später nur aus Stein. In der Mitte der Saalburg gruppieren sich die Stabsgebäude (Principia) um einen Innenhof. Östlich der Porta Praetoria stehen Lagerhäuser (Horreum), westlich stand das Praetorium (Sitz des Kommandanten). Auf der verbleibenden Fläche drängten sich Unterkünfte, Ställe und Wirtschaftsgebäude.
Kastell Saalburg Rekonstruktion
Die Zeichnung oben zeigt Kastell Saalburg in der letzten Ausbauphase mit steinerner (und verputzter) Mauer. Vor dem Haupttor erstreckte sich der Vicus, eine Siedlung von Handwerkern, Händlern oder Gastwirten. Erhalten hat sich u. a. das Kastellbad.
Boppard: Reste eines Kastells
Der Obergermanisch-Raetischer Limes konnte im 3. Jh. nicht mehr gehalten werden. Etwa um 260 n. Chr. kam es zum Limesfall: Der Obergermanisch-Raetische Limes wurde aufgegeben; die neue Grenze war der Donau-Iller-Rhein-Limes. Er zählt nicht zum UNESCO-Welterbe, allerdings liegt der Abschnitt am Rhein im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Das Kastell Boppard wurde im 4. Jahrhundert errichtet und ist relativ gut erhalten. Dort war eine römische Katapult-Einheit stationiert.
Es handelt sich um eine Befestigung auf rechteckigem Grundriss (308 m x 154 m) ohne gerundete Ecken. 28 U-förmige Türme, die in regelmäßigem Abstand voneinander stehen, ragen über die Mauerflucht hinaus. Das Foto rechts zeigt die Überreste von Turm 9.
Kastell Miltenberg-Altstadt
Kastell Miltenberg-Altstadt befand sich am südlichen Mainufer (heute nördlich der Stadt Miltenberg) und bildete das Nordende des Raetischen Limes. Das Kastell wurde 160 n. Chr. als Holz-Erd-Kastell gegründet und um 200 als Steinkastell erneuert. Es steht zeitlich also zwischen Saalburg und Boppard.
Das Kastell auf fast quadratischem Grundriss (170m x 160 m) besitzt einerseits abgerundete Ecken (wie die Saalburg), andererseits Türme (wie in Boppard). Allerdings sind es rechteckige Türme und sie ragen nicht über die Mauern hinaus.
Zu den Legionslagern am Obergermanisch-Raetischen Limes zählen Mainz (von lateinisch „Mogontiacum“) und Regensburg („Castra Regina“).
Mainz war zugleich Hauptstadt der Provinz Obergermanien (Germania superior) sowie ein wichtiger Binnenhafen u. a. der Rheinflotte.
Regensburg war militärisches Zentrum der Provinz Raetia, nicht aber deren Hauptstadt, das war zunächst (wahrscheinlich) Kempten (Cambodunum), später Augsburg (Augusta Vindelicorum).
Mainz
Zu den sehenswerten Überresten aus der Römerzeit in Mainz zählen u. a. das Römische Theater und der Drususstein.
Das Römische Theater (erbaut vor 39 n. Chr.) war das größte römische Bühnentheater nördlich der Alpen. Die Bühne war 42 m breit, der Zuschauerraum 116 m. 1884 entdeckte man die Überreste und riss einen Teil ab für den Bau der Eisenbahnlinie, die direkt hinter der Bühne verläuft.
Der Drususstein ist ein 20 m hoher turmartiges Grabbau zu Ehren des Feldherren Drusus (38–9 v. Chr.). Mainz diente ihm als Ausgangslager für seine Feldzüge, die bis zur Elbe bei Magdeburg führten. (Bestattet ist Drusus im Mausoleum seines Stiefvaters Augustus in Rom).
Römisch-Germanisches Zentralmuseum (Mainz)
1981–82 entdeckte man in Mainz die fünf sogenannten „Mainzer Römerschiffe“ (4. Jh.). Ihre Rekonstruktionen befinden sich u. a. im Museum für Antike Schifffahrt (eine Abteilung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums).
Das Foto links zeigt die Rekonstruktion eines spätantiken Kampfschiffs vom Typ „Navis lusoria„. Es war ein Ruderboot (Länge: 21 m; Breite: 2,8 m) mit Hilfssegel, das als Patrouillenboot diente (Webseite: https://web.rgzm.de/museen/museum-fuer-antike-schifffahrt-mainz/). Zwei weitere Rekonstruktionen dieses Schiffstyps gibt es in Neupotz am Oberrhein (Pfalz) und Regensburg (Donaulimes).
Regensburg
Auch in der UNESCO-Welterbestätte Regensburg trifft man auf Überreste der Römerzeit. Das Foto links zeigt eine Rekonstruktion des Legionslagers Castra Regina – mit (virtuellem) Blick nach Süden. Unten fließt die Donau, dort steht die Porta Praetoria (siehe Foto unten links). Sie ist nach der Porta Nigra in Trier das besterhaltene römische Stadttor nördlich der Alpen. Auch Mauerreste haben sich erhalten.
Warum ist der Obergermanisch-Raetische Limes UNESCO-Weltkulturerbe?
Die UNESCO hat den Obergermanisch-Raetischen Limes zum Weltkulturerbe erklärt, weil drei (von sechs) Welterbe-Kriterien erfüllt sind:
„Kriterium (ii): Die erhaltenen Überreste des befestigten Obergermanisch-Raetischen Limes, der Hadriansmauer und des Antoninuswalls sind bedeutende Elemente der römischen Grenzen in Europa. […] Durch die Grenzen wurde also der Austausch kultureller Werte durch die Bewegung von Soldaten und Zivilisten aus verschiedenen Ländern angestoßen. […]
Kriterium (iii): Als Teile des allgemeinen Verteidigungssystems des Römischen Reiches haben der Obergermanisch-Raetische Limes, die Hadriansmauer und der Antoninuswall einen außerordentlich hohen kulturellen Wert. Sie zeugen auf außergewöhnliche Weise von der maximalen Machtausdehnung des Römischen Reiches durch die Konsolidierung seiner nordwestlichen Grenzen und sind damit eine Verkörperung der römischen Herrschaftspolitik. […].
Kriterium (iv): Der befestigte Obergermanisch-Raetische Limes, die Hadriansmauer und der Antoninuswall sind außergewöhnliche Beispiele für römische Militärarchitektur und Bautechniken einschließlich ihrer technologischen Entwicklung, die von Ingenieuren über mehrere Generationen hinweg perfektioniert wurden. […] Diese Methoden verbreiteten sich in ganz Europa und prägten damit einen Großteil der nachfolgenden Entwicklung in diesem Teil der Welt.“ (Übersetzung durch das Auswärtige Amt. Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2415286/f5bb3302343b752330432a380204362d/30-grenzendesroemischenreiches-data.pdf)
Urlaub am Limes
Wer Urlaub am Limes machen möchte, hat freie Auswahl:
Urlaub in der Natur. Man kann dem Limes ein Stück folgen, z. B. auf dem Limes-Radweg oder dem Limes-Wanderweg. Es gibt Berg-und-Tal-Touren, aber auch Strecken in der Ebene. Manche Abschnitte führen durch Wald, andere über Wiesen und Felder.
Über’s Wochenende oder für einen Tagesausflug kann man eines der Museen oder Kastelle besuchen.
Städtetour. Natur & Kultur? Kein Problem, wenn man einen Besuch am Limes mit einem Städtebummel verbindet, z. B. durch die Altstadt Regensburg (UNESCO-Weltkulturerbe) oder z. B. Schwäbisch Gmünd, Frankfurt oder Koblenz.
Deutscher Limes-Radweg
Der Deutsche Limes-Radweg führt auf rund 818 km von Bad Hönningen im Norden nach Regensburg im Süden. Er folgt weitgehend dem Obergermanisch-Raetischen Limes. Dem einst schnurgeraden Verlauf kann er nur umschlängelnd folgen. Die Strecke führt einerseits durch ruhige Landschaften, andererseits stellenweise bergauf und bergab, z. B. von der Saalburg (400 m) zum Feldberg (800 m). Webseite: http://www.limesstrasse.de/deutsche-limes-strasse/radweg/
Deutscher Limes-Wanderweg
Der Deutsche Limes-Wanderweg ist rund 735 km lang. Er führt von Rheinbrohl im Norden nach Bad Gögging im Süden. Er folgt dem Verlauf des Limes mit geringeren Abweichungen als der Limes-Radweg. Informationen zu einzelnen Tourabschnitten findet man auf der Webseite: http://www.limesstrasse.de/deutsche-limes-strasse/wanderweg/
Alle vier Bundesländer, durch die der Obergermanisch-Raetische Limes führt, haben jeweils ein eigenes Limes-Informationszentrum. Sie sind meist Teil eines größeren Museums.
Limes-Informationszentrum Baden-Württemberg
Das Limes-Informationszentrum Baden-Württemberg (www.liz-bw.de/) befindet sich beim Reiterkastell Aalen, östlich von Stuttgart. Auf dem Gelände des Kastells stehen das Limesmuseum Aalen (siehe Foto links) und die Rekonstruktion einer Reiterbaracke. Von dem einst größten Reiterkastell nördlich der Alpen sind Grundmauern freigelegt. Adresse: St.-Johann-Straße 5, 73430 Aalen; Webseite: https://www.limesmuseum.de/
Bayerisches Limes-Informationszentrum
In Weißenburg in Bayern, nicht weit vom Südende des Raetischen Limes, gibt es einige Sehenswürdigkeiten der Römerzeit:
Das Kastell Weißenburg (90 n. Chr. – 256 n. Chr.) war ein Reiterkastell, dessen Nordtor man rekonstruiert hat. Die Anlage ist kostenlos jederzeit zugänglich.
Die ab 1977 freigelegten Großen Thermen sind überdacht und im Sommer zugänglich.
Das Zentrale Limes-Informationszentrum Hessen ist im Kassenhaus vor dem Kastell Saalburg untergebracht. Zum Kastell siehe oben (Adresse: Am Römerkastell 1, 61350 Bad Homburg. Webseite: www.saalburgmuseum.de).
Am Nordende des Obergermanischen Limes, in Rheinbrohl, steht das Limesinformationszentrum Rheinland-Pfalz. Das Foto zeigt (von links) das Erlebnismuseum, im Hintergrund „Mannschaftstube“, Backhaus und eine Pfahlramme für den Brückenbau. Außerdem gibt es einen Kräutergarten und – für Rheinland-Pfalz sehr wichtig – ein paar Weinreben. Adresse: Arienheller 1, 56598 Rheinbrohl. Webseite: https://www.roemer-welt.de/Limes-Infozentrum/
UNESCO-Welterbe in der Nähe des Obergermanisch-Raetischen Limes
In der Nähe des Obergermanisch-Raetischen Limes gibt es mehrere UNESCO-Welterbestätten. Einige haben Bezug zur Römerzeit:
Bad Ems wird direkt vom Obergermanischen Limes durchschnitten.
Das Obere Mittelrheintal liegt westlich des Obergermanischen Limes und bildete nach dem Limesfall den neuen Limes (Donau-Iller-Rhein-Limes, siehe oben).
Trier liegt noch weiter westlich und war eine der Hauptstädte des Römischen Reichs.
Bad Ems (Bedeutende Kurstädte Europas)
Bad Ems (9.800 Einw.) liegt an der Lahn im rechtsrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz. Die Kuranlagen zählen mit denen von Baden-Baden und Bad Kissingen zur transnationalen Welterbestätte „Bedeutende Kurstädte Europas“, die insgesamt elf Städte umfasst. In Bad Ems befanden sich das Kastell Ems und das Kleinkastell „Auf der Schanz“; außerdem verlief der Limes an Bad Ems vorbei – über Berg und Tal. Am Wintersberg steht die älteste Rekonstruktion eines Limes-Wachtturms (Bau 1874). 2016 entdeckte man in der Gemarkung „Auf dem Ehrlich“ ein römisches Militärlager (angelegt ca. 60 n. Chr.), also aus der Zeit vor dem Bau des Limes.
Das Obere Mittelrheintal zwischen Bingen/Rüdesheim und Koblenz ist gesäumt von Burgen, Weinhängen und malerischen Städtchen. Die Römer hinterließen den Weinanbau und das besterhaltene Kastell Deutschlands (Boppard); vom Mittelalter zeugen Burgen und Klöster. Festung Ehrenbreitstein bietet einen großartigen Ausblick auf Koblenz und das Rheintal.
Trier war eine der Hauptstädte des Römischen Reichs und zählt zu den ältesten Städten Deutschlands. Mehrere Monumentalbauten der Römerzeit (Porta Nigra, Kaiserthermen, Konstantinbasilika) haben sich erhalten. Zum Welterbe zählen auch der Trierer Dom und die Liebfrauenkirche, die eine der seltenen Zentralbaukirchen der Gotik darstellt.