Grube Messel: UNESCO-Weltnaturerbe statt Mülldeponie
Grube Messel. Überblick
Die Grube Messel bei Darmstadt ist ein ehemaliger Ölschiefersteinbruch. Messel zählt zu den weltweit bedeutendsten Fossilien-Fundstätten. Die Funde stammen aus dem Eozän (vor 56–34.000.000 Jahren).
Das Besondere dieses Zeitalters ist der enorme Temperaturanstieg um durchschnittlich 6° C innerhalb relativ kurzer Zeit (etwa 4.000 Jahre). Die Ursachen sind umstritten; in Frage kommen u. a. Vulkanausbrüche und die Freisetzung des Triebhausgases Methan.
Es kam zu einem Massensterben von Tieren und Pflanzen; etliche Säugetiere-Arten dieser Zeit zeichnen sich durch Kleinwüchsigkeit aus. Z. B. sind die Pferde der Grube Messel nur etwa 50 cm groß.
1859 | Aufnahme des Tagebaus in der Grube Messel. Zunächst nur Eisenerzabbau. |
1876 | Rudolph Ludwig entdeckt ein Alligatorenskelett, das er „Crocodilus ebertsi“ (heute: Diplocynodon darwini) nennt – zu Ehren des ersten Grubenbesitzers. |
1884 | Beginn des Ölschiefer-Abbaus. |
1971 | Einstellung des Ölschiefer-Tagebaus. |
1970er Jahre | Landesbehörden planen, die Grube als Mülldeponie zu nutzen. |
seit 1975 | Mitarbeiter*Innen der Senckenberg Gesellschaft erforschen die Grube Messel und setzen sich für deren Erhalt ein. |
1980er Jahre | Politische und juristische Auseinandersetzung um die Nutzung der Grube Messel. |
1987 | Die „Bürgerinitiative zur Verhinderung der Mülldeponie“ gewinnt vor Gericht. |
1995 | Die UNESCO erklärt die Grube Messel zur Weltnaturerbestätte, die erste Deutschlands. |
2010 | Eröffnung des Besucherzentrums. Die Welterbe-Gesellschaft ehrt das Engagement der Bürgerinitiative. |
Adresse | Welterbe Grube Messel gGmbH |
Roßdörfer Straße 108 | |
64409 Messel | |
service@welterbe-grube-messel.de | |
Telefon | 061 59 – 71 75 9-0 |
Fax | 061 59 – 71 75 9-222 |
Inhalt
- 1 Grube Messel. Überblick
- 2 Karte Messel
- 3 Grube Messel: Entstehung und Nutzung
- 4 Warum ist die Grube Messel UNESCO-Weltnaturerbe?
- 5 Grube Messel besuchen
- 6 Grube Messel: Anfahrt und Lage
- 7 Museen mit Exponaten der Grube Messel
- 8 Messel: Sehenswürdigkeiten und Rundgang
- 9 UNESCO-Welterbe in der Nähe von Messel
- 10 Ähnliche Welterbestätten
Karte Messel
Grube Messel: Entstehung und Nutzung
Eozän
Wir leben in der Erdneuzeit (= Känozoikum), die vor 66 Mio. Jahren begann. Damals führte ein Meteoriteneinschlag zum Massenaussterben, dem die meisten Dinosaurier zum Opfer fielen. Unsere Vorfahren, die frühen Säugetiere, überlebten und breiteten sich aus.
Das Eozän ist ein Abschnitt zu Beginn der Erdneuzeit.
- Das Eozän begann mit einem schnellen Temperaturanstieg vor 56 Mio. Jahren um ca. 6° C, u. a. aufgrund von Vulkanismus.
- Das Eozän endete mit einem Massenaussterben vor 33,9 Mio. Jahren. Diesmal erwischte es in Europa ca. 60% aller Säugetierarten, darunter alle Primaten.
Zu Beginn des Eozän war Europa noch aufgeteilt und nicht mit Asien verbunden.
Maarsee
Vor rund 48.000.000 Jahren, zu Beginn des mittleren Eozän (47,8–38 Mio. Jahre), entstand an der Stelle der heutigen Grube ein über 200 m tiefer Vulkansee. Er bildete den Abschluss eines tiefen Magmaschlots. Die Pflanzen und Tiere, die in dem See lebten, starben dort, sanken auf den Grund und wurde zusammengepresst. Im Laufe der Folgezeit entstand eine rund 150 m hohe Ölschieferschicht. Um zu verhindern, dass durch einströmendes Grundwasser die Grube wieder zu einem See wird, sind in der Grube Pumpen installiert.
Aus der Grube stammen:
- Fossilien (dafür wurde sie zum UNESCO-Welterbe erklärt)
- Ölschiefer und
- Mineralien, z. B. Messelit.
Diese drei Gruben-Produkte seien kurz vorgestellt:
Fossilien I: Minipferde
In dem versteinerten Seeschlamm haben sich zehntausende von Tier- und Pflanzenfossilien ungewöhnlich gut erhalten. Vor rund 50 Millionen Jahren lebten hier die ersten Säugetiere, darunter 50 cm große Pferde.
Eurohippus ist ein Verwandter der Pferde. Man unterscheidet zwei Arten: Die eine, Eurohippus parvulus messelensis, ist nach der Grube Messel benannt. Das Messel-Pferdchen erreichte eine Schulterhöhe von etwa 35 cm und ein Gewicht von etwa 6 kg.
Fossilien II: Riesenameisen
Neben Fossilien von Wirbeltieren haben sich auch zahlreiche Überreste von Insekten erhalten, darunter die größte bekannte Ameisenart der Welt: Titanomyrma gigantea. Die Art lebte etwa von 47,4 bis 46,3 Millionen Jahren v. Chr. Von den Ameisen sind bislang nur Königinnen und männliche Ameisen bekannt. Die Fossilien der Weibchen sind bis zu sieben Zentimeter lang.
Fossilien III: Schlangen, Vögel & Primaten
Die folgenden Fotos zeigen (v. l. n. r.):
- das Skelett einer Erdboa (Messelophis ermannorum),
- das Fossil einer Messelralle: rund 50% aller Vogelfossilien der Grube Messel,
- das kopflose Skelett eines (flugunfähigen) Vogels Strigogyps.
- In der Grube Messel entdeckte man auch frühe Primatenformen, z. B. Darwinius, benannt nach Charles Darwin. Das sehr gut erhaltene Fossil ist ca. 58 cm groß und stammt von einem weiblichen Jungtier. Darwinius lebte auf Bäumen und ist kein direkter Vorfahr des Menschen.
Ölschiefer
In der Grube Messel hat man sogenannten „Ölschiefer“ gefördert. Als Schiefer bezeichnet man leicht spaltbares Sedimentgestein, das durch Faltung entstanden ist. Der Ölschiefer ist zwar ein Sedimentgestein, aber nicht durch Faltung entstanden – und somit eigentlich kein Schiefer.
Ölschiefer ähnelt dem Schiefer, den man für Dächer und Fassaden verwendet; er unterscheidet sich aber in einer wichtigen Eigenschaft: Ölschiefer ist brennbar, Dachschiefer nicht. Ölschiefer besteht nämlich aus Ton mit einem hohen Anteil an Kohlenstoff-Verbindungen. Es sind die Überreste der Tiere und Pflanzen, die hier lebten.
Ölschieferabbau
Die Brennbarkeit begünstigte einen Unterschied beim Abbau: Man verzichtete in Messel darauf, mit kohlebefeuerten Lokomotiven in die Ölschiefergrube einzufahren. Stattdessen förderte man den Ölschiefer ab 1889 mit einer Kettenbahn, die von einer Station am Grubenrand angetrieben wurde. In den 1950er Jahren ersetzte man die Bahn durch Förderbänder.
Das nichtbrennbare Gestein, der Abraum, wurde hingegen mit ab 1890 mit einer 600-mm-, ab 1932 mit einer 900-mm-Schmalspurbahn und ab 1951 mit einem Förderband transportiert.
Raffinerie Messel
Ein weiterer Unterschied betrifft die Verwendung:
- Ölschiefer wird verschwelt, um u. a. Öl zu gewinnen. 1927 entstand in Messel das Kesselwerk nach Plänen der Darmstädter Architekten Markwort und Seibert. Die denkmalgeschützte Schwelerei der Grube Messel hat man abgerissen, ein Modell befindet sich im Heimatmuseum.
- Dachschiefer dient als Witterungschutz; Ölschiefer ist dafür ungeeignet, da er bei Trockenheit zerfällt. Ehemals bedeutenden Dachschieferbergbau gab es in der Kleinstadt Kaub (UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal).
Mineralien. Beispiel Messelit
In der Grube Messel gibt es aber auch Gesteine ohne organische Bestandteile. Nach der Grube Messel ist das Mineral Messelit benannt, das der Chemiker Adolf Spiegel dort entdeckte. Es handelt sich um ein Phosphatmineral, es enthält also u. a. Phosphat (PO4). Die Summenformel ist: Ca2(Fe2+,Mn2+)(PO4)2·2H2O. Messelit enthält auch noch Calcium (Ca), Eisen (Fe), Mangan (Mn) und Wasser (H2O).
Messelit kann verschiedene Farben annehmen: weiß, gräulich oder grünlich. Auf der Mohs-Skala, die von 1-10 reicht und den Härtegrad angibt, erreicht Messelit einen Wert von 3,5, ist also von geringer Härte. (Mehr Infos unter mineralienatlas.de.)
1962 wurde die Schwelerei stillgelegt. Das Land Hessen beschloss 1971, die Grube als Mülldeponie zu nutzen. Im selben Jahr gründete sich eine Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt der Grube als Fossilienfundstätte einsetzte. Mitglied waren Messeler Bürger:innen und Forschende der Senckenberg Gesellschaft. Einem Formfehler ist es zu verdanken, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof 1987 das Planfeststellungsverfahren für nichtig erklärte. Acht Jahre später wurde die Grube Messel zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.
Warum ist die Grube Messel UNESCO-Weltnaturerbe?
Die UNESCO erklärte 1995 die Fossilienfundstätte Grube Messel zum Weltnaturerbe, weil eines von vier Naturerbe-Kriterien erfüllt war:
„Kriterium (vii): Die Grube Messel gilt als Fossilienfundstätte, die am besten zum Verständnis des Eozän beiträgt. In dieser Zeit setzten sich die Säugetiere an Land in allen wichtigen Ökosystemen fest. Der Erhaltungszustand der Fossilien ist außergewöhnlich und erlaubt wissenschaftliches Arbeiten auf hohem Niveau.“ (eigene Übersetzung; Quelle: https://whc.unesco.org/en/list/720bis)
Grube Messel besuchen
Die Grube Messel kann man mehr oder weniger ausführlich besuchen:
- Die Aussichtsplattform oberhalb der Grube bietet einen schnellen und kostenlosen Überblick.
- Im Besucherzentrum erhält man gegen Eintritt mehr Informationen.
- Führungen in die Grube setzen geeignetes Schuhwerk voraus.
Besucherzentrum Grube Messel
Südlich der Aussichtsplattform steht das Besucherzentrum. Es informiert über die Grube, die Fossilien und deren Leben, außerdem gibt es dort ein Bistro. Das Gebäude aus Sichtbeton ist ein Gemeinschaftswerk des Architekturbüros Landau und Kindelbacher und des Landschaftsarchitekturbüros Keller Damm Kollegen. Für die Ausstellungsarchitektur waren Holzer und Kobler verantwortlich.
Der Zugang zur Grube und ins Besucherzentrum ist kostenpflichtig. Für Familien, Erwachsene, Schüler:innen werden spezielle Führung durch das Grubengelände angeboten.
Besucherzentrum | ||
Monat | Tag | Uhrzeit |
Januar – Dezember | täglich | 10:00 – 17:00 Uhr (letzter Einlass: 16:00 Uhr) |
Geschlossen: 01. Januar, 24. – 26. und 31. Dezember |
Grube |
Die Grube ist nur im Rahmen einer Führung zugänglich. Zu den Veranstaltungszeiten der Führungen siehe: www.grube-messel.de/besucher.html. |
Besucherzentrum
- Einzelpersonen & Kleingruppen
Montag – Freitag | jeweils 11.00 Uhr | 14,- € p.P. (ermäßigt: 12,- € p.P.); inkl. Eintritt für das Besucherzentrum |
- Gruppen (bis 25 Personen)
Montag – Freitag | Buchung unter 06159 – 71 75 90 | Gruppen bis 20 Personen: Mindestpreis 240,- €. Jede weitere Person: jeweils 12,- €. |
Grube Messel
Informationen zu den Führungen in die Grube Messel: www.grube-messel.de/fuehrungen.html |
Besucherzentrum | |
Erwachsene | 10,- € |
ermäßigt | 8,- € |
Kinder (unter 7 Jahren) | 0,- € |
Familie (pro Person) | 7,- € |
Gruppe (ab 20 Personen) | auf Anfrage |
Grube Messel | |
Die Grube ist nur im Rahmen einer Führung zugänglich. Zu den Preisen der Führungen siehe: www.grube-messel.de/besucher.html. |
Grube Messel: Anfahrt und Lage
Anfahrt von der A 3
- Von der A 3 beim Offenbacher Kreuz nach Süden auf die A 661 wechseln.
- An der Abfahrt Langen Richtung Osten auf die B 486 abbiegen.
- Bei Offenthal rechts nach Süden auf die L 3317 abbiegen.
- Unmittelbar vor Messel rechts in die L 3097 abbiegen.
- Im Wald links nach Südosten in die L 3317 abbiegen.
- Die Bahngleise überqueren, dann scharf links Richtung Nordosten abbiegen.
Anfahrt von der A 5
- Von der A 5 am Darmstädter Kreuz auf die A 672 Richtung Darmstadt wechseln.
- Die A 672 geht über in die B 26. Der B 26 durch das Darmstädter Zentrum folgen.
- Am See „Großer Woog“ links in den Fiedlerweg Richtung Norden abbiegen. Der Fiedlerweg geht über in den Spessartring.
- Rechts in die Dieburger Straße (= L 3094) Richtung Messel abbiegen.
- Nach dem Weiler „Einsiedel“ links nach Norden in die L 3317 abbiegen. Rechts zum Besucherzentrum abbiegen.
Anfahrt von Frankfurt am Main
- Mit dem Nah- oder Fernverkehr bis Darmstadt Hauptbahnhof
- Von Darmstadt Hauptbahnhof mit der RB 75 Richtung Aschaffenburg bis zum Bahnhof Messel fahren.
Anfahrt von Heidelberg
- Mit dem Nah- oder Fernverkehr bis Darmstadt Hauptbahnhof
- Von Darmstadt Hauptbahnhof mit der RB 75 Richtung Aschaffenburg bis zum Bahnhof Messel fahren.
Anfahrt von Wiesbaden, Mainz oder Darmstadt
- Von Mainz Hauptbahnhof mit der RB 75 Richtung Aschaffenburg bis zum Bahnhof Messel fahren.
Museen mit Exponaten der Grube Messel
Messel-Funde sind in folgenden Museen ausgestellt:
Fossilien- und Heimatmuseum Messel
Das Fossilien- und Heimatmuseum Messel befindet sich in einem Fachwerkhaus im Zentrum von Messel (Adresse: Langgasse 2, 64409 Messel; Webseite: https://www.messelmuseum.de/). Das Museum informiert kostenlos über
- die Ortsgeschichte,
- die Grube Messel, nämlich
- die Entstehung der Grube,
- die Fossilien, von denen einige ausgestellt sind, und
- den Ölschieferabbau.
Diesen umfassenden Blick auf die Grube Messel bieten die beiden anderen Museen nicht, da sie andere Schwerpunkte setzen.
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt
Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt ist das größte Naturkundemuseum Deutschlands. Ausgestellt sind zahlreiche Messel-Fossilien (Reptilien, Fische, Messel-Pferdchen) sowie Fossilien von Dinosauriern. Die Senckenberg Gesellschaft betreibt eine Außenstelle an der Grube Messel. Webseite: http://www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=5247
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt besitzt Sammlungen zur Natur- und Kulturgeschichte, darunter Fossilien der Grube Messel. Webseite: https://www.hlmd.de/
(Der Architekt hieß übrigens Alfred Messel. Er plante das Berliner Pergamonmuseum, das zum Weltkulturerbe Museumsinsel Berlin zählt.)
Messel: Sehenswürdigkeiten und Rundgang
Messel Rundgang
Die „Welterbetour Messel“ führt vom Bahnhof zum Fossilien- und Heimatmuseum und zur Grube Messel. Auf der Route kommt man an einigen Sehenswürdigkeiten vorbei.
Messel Sehenswürdigkeiten
Einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten in Messel und Umgebung sowie zu kulinarischen Spezialitäten bietet „Messel Sehenswürdigkeiten“.
UNESCO-Welterbe in der Nähe von Messel
Kloster Lorsch
Rund 32 Kilometer weiter südlich befindet sich das Welterbe Abtei und Altenmünster des Klosters Lorsch. Die Torhalle ist ein Kleinod karolingischer Architektur. Vom einst bedeutenden Kloster ist wenig erhalten.
Obergermanisch-Raetischer Limes
Östlich von Messel verläuft der Obergermanisch-Raetische Limes, die Grenze des Römischen Reiches. Zu den besonderen Sehenswürdigkeiten zählt Kastell Saalburg bei Bad Homburg.
Ähnliche Welterbestätten
UNESCO-Weltkulturerbe aus prähistorischer Zeit
- Konstanz, Unteruhldingen u. a.: Pfahlbaureste; -rekonstruktionen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit (7.000 – 3.000 Jahre alt), („Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen„)
- Schelklingen, Blaubeuren, Rammingen, Asselfingen, Niederstotzingen (Tübingen*, Ulm*): Höhlen; Schmuck, Flöten, Waffen des Aurignacien (vor ca. 40.000 – 31.000 Jahren) („Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura„)
*= Keine Fundorte, sondern Orte mit Museen, die Fundstücke der Welterbestätte ausstellen.