Sprinkenhof (Welterbe Kontorhausviertel Hamburg)

Sprinkenhof (Welterbe Kontorhausviertel Hamburg)

Hamburg Sprinkenhof west

Ein architektonisches Meisterwerk ist der Sprinkenhof, eines von nur vier Kontorhäusern, die zusammen mit der Speicherstadt das Hamburger Weltkulturerbe bilden.

Karte Kontorhausviertel mit Sprinkenhof (grün), Chilehaus (rot) und Meßberghof (blau)

Die drei Blöcke des Sprinkenhofs

Der Sprinkenhof besteht aus drei Gebäudeblöcken, die sich von Westen nach Osten aneinanderreihen (auf dem Foto von links nach rechts). Im Norden grenzen die Blöcke an die Altstädter Straße, im Süden an die Burchardstraße, die Hauptstraße des Kontorhausviertels. Der westliche Block steht am zentralen Burchardplatz. Im Osten erstreckte sich der Cityhof-Block, ein denkmalgeschützter Nachkriegsbau, der trotz Protesten abgerissen wird.

Der Name „Sprinkenhof“ erinnert übrigens an den Schmied Johann Sprink, der im Jahr 1384 vom Domkapitel ein Grundstück erwarb, wo heute der Sprinkenhof steht.

Luftbild vom Sprinkenhof im Weltkulturerbe Kontorhausviertel (Hamburg)

Der mittlere Block des Sprinkenhofs

Zwischen 1927 und 1928 entstand nach den Plänen der Gebrüder Hans und Oskar Gerson ein würfelförmiger neungeschossiger Stahlbetonbau mit Klinkerfassade und Flachdach. Die Nutzfläche ist rund 22.000 m² groß; in den Sockelgeschossen befinden sich Läden, darüber Kontore. An der Nord- und Südseite führen jeweils zwei große Durchfahrten in den rechteckigen Innenhof.

Spaziergang zum Sprinkenhof

Es empfiehlt sich, das Kontorhausviertel bzw. den Sprinkenhof von Norden her zu betreten. Wer von dort durch die Springeltwiete auf den Sprinkenhof zugeht, kann die gesamte Breite des monumentalen Baukörpers zunächst nicht erkennen. Man blickt vielmehr auf einen Eingang, über dem in großen goldfarbenen Lettern der Schriftzug „Sprinkenhof“ prangt, darüber erstreckt sich die Klinkerfassade mit dem gleichmäßigen Fensterraster. Vorstehende Klinkerbänder bilden ein rautenförmiges, um die Fensterecken geführtes Netz. In jeder Rautenmitte ragt ein kreisförmiges Zierelement hervor. Die Springeltwiete wird links und rechts um den Eingangskubus in den Innenhof geführt. Der Eingangsblock stellt sich also nicht nur dem Blick, sondern auch dem Verkehr (und dem Wind) in den Weg.

Innenhof des Sprinkenhofs

Hamburg 8181

Geht man weiter in den Innenhof, folgt der nächste Blickfang: der halbrunde Treppenturm an der gegenüberliegenden Seite. Dessen Grundrissform überrascht in dem von Geraden dominierten Sprinkenhof. Zugleich findet sich dieser Wechsel zwischen gerader und gebogener Linie auch auf der Mikroebene der Fassadenelemente wieder, wo kreisförmige Zierelemente die Fassade beleben.

Hamburg, Kontorhausviertel, Sprinkenhof

Wer hingegen von Süden her in den Innenhof tritt, blickt auf die zurückhaltender gestaltete Nordfassade, die ein zweites Treppenhaus verbirgt. Beide Treppenhaus-Fassaden weichen mit ihren waagrechten und senkrechten Klinkerbändern von den diagonal geführten der übrigen Fassade ab. Zugleich wirkt die Fassade des nördlichen Treppenhauses wie die flachgedrückte Version des südlichen Treppenturms. Beide Treppenhäuser verhalten sich, um ein Bild der Schifffahrt zu entnehmen, wie ein prallgefülltes Segel an der Hafenseite und ein schlaffes an der Landseite. Ursprünglich befand sich in der Mitte des Innenhofes eine Rampe, die zur Einfahrt der Tiefgarage am nördlichen Treppenhaus führte. Diese Tiefgarage war die erste in Hamburg. Die beiden Backsteinmauern im Innenhof markieren den Verlauf der Rampen-Seitenwände.

Die Treppenhäuser (künstliche Nord-Süd-Asymmetrie)

Man kann sich damit begnügen, den Sprinkenhof lediglich als Sehenswürdigkeit wahrzunehmen. Er ist aber mehr: nämlich ein Bauwerk für alle Sinne. Wir können den Sprinkenhof auch spüren, tasten oder hören. Nehmen wir als Beispiel die beiden Treppenhäuser; sie sind im Original erhalten und im Unterschied zu den Büroräumen für Besucher zugänglich(er):

Das Treppenhaus und der Kraftsinn

Diesen Form-Unterschied kann man nicht nur mit den Augen sehen, sondern auch mit dem Körper – genauer: dem Kraftsinn – erspüren: Bei dem südlichen Treppenhaus auf halbrundem Grundriss bewegt man sich um ein rundes Treppenauge, das man beim Hinauf- oder Hinabsteigen umkreist. Die Richtungsänderungen sind kontinuierlich. Beim nördlichen Treppenhaus erfolgt die Richtungsänderung abrupt: Man muss seinen Körper am Ende eines Treppenabsatzes um eine Vertikalachse um 180° wenden. Der Wendekreis ist klein, er erstreckt sich auf dem Treppenpodest. Dessen rechteckige Grundflächenform steht im Kontrast zur Grundform des Wendekreises. Beim runden Treppenhaus ist der Wendekreis hingegen groß, außerdem entsprechen die Form des architektonischen Raums und des Wendekreises eher einander.

Hamburg Sprinkenhof 01 KMJ

Die verschiedenen Treppenhausformen unterscheiden sich in dem kinästhetischen Rhythmus des Kraftaufwandes, der durch den Rhythmus von Treppenlauf und -absatz vorgegeben ist: Auf der Waagrechten des Treppenabsatzes ist nur der Kraftaufwand für die Horizontalbewegung erforderlich, bei der Schräge des Treppenlaufs kommt der zusätzlich Kraftaufwand hinzu, um den Körper gegen die Schwerkraft nach oben zu bewegen. Beim Hinabsteigen ist der Kraftaufwand anders, der Rhythmus bleibt aber gleich.

Beim südlichen Treppenhaus des Sprinkenhofs ist der Rhythmus etwa folgender: 3/6 Waagrechte, 1/6 Schräge, 1/6 Waagrechte, 1/6 Schräge. Also ein Verhältnis von rund 2/3 Waagrechte zu 1/3 Schräge. Die Waagrechte dominiert. Durch den Kraftsinn ist spürbar, dass die Funktion dieses Treppenhaus nicht alleine in der Vertikalbewegung besteht, denn man hätte die Treppe auch ohne Podest erbauen können.

Der hohe Anteil der waagrechten Verkehrsfläche bieten dem Körper Erholung, aufmerksamkeitsabsorbierende Überlastungsphänomene wie Schweißausbruch, Herzrasen oder Atemnot werden vermieden bzw. in die oberen Geschosse hinausgezögert. Die Aufmerksamkeit kann vielmehr der Umgebung, also hauptsächlich dem Treppenhaus, zugewendet werden. Denkbar ist auch, dass man sich einem Gesprächspartner zuwendet. Das Treppenhaus ist nämlich breit genug für zwei nebeneinander gehende Personen.

Beim nördlichen Treppenhaus dominiert hingegen die Schräge. Durch den Kraftsinn spürt man, dass dieses Treppenhaus kaum Platz zur Erholung bietet, es dient der Vertikalbewegung. (Erst recht gilt dies für die übrigen Treppenhäuser im Sprinkenhof, die noch enger sind.)

Das Treppenhaus und der Tastsinn

Die Form-Unterschiede zwischen den zwei Treppenhäusern sind nicht nur mit dem Gesamtkörper, sondern auch mit Körperteilen, vor allem mit den Händen, wahrnehmbar. Man kann diesen Unterschied durch den Tastsinn erspüren. Was Treppenlauf und -absatz für den gesamten Körper sind, ist der Handlauf für die Hände: nämlich der adäquate Bewegungsraum. Beim südlichen Treppenhaus wechseln sich auch beim Handlauf waagrecht und schräg verlaufende Abschnitte ab, wobei der taktuelle Rhythmus dem kinästhetischen Rhythmus entspricht. Die Übergänge zwischen Waagrechter und Schräge, d. h. die Richtungsänderungen in der Vertikalen, sind ertastbar und entsprechen dem Wechsel von Treppenlauf und -absatz, der durch den Körpersinn spürbar ist. Die Richtungsänderungen in der Horizontalen sind hingegen kontinuierlich. Die Wahrnehmungsänderungen beim Tast- und Kraftsinn erfolgen also gleichzeitig.

Beim nördlichen Treppenhaus ist der ertastbare Rhythmus und das Verhältnis ein anderer: Hier dominieren die Schrägen.

Das Treppenhaus und der Hörsinn

Je nach Wahl des Schuhwerks und der körperlichen Konstitution erzeugt die Treppennutzung Geräusche: Manche Sohlen quietschen, andere klacken; es gibt Hosen, Röcke, Mäntel, Rucksäcke oder Taschen, die rascheln, knistern, scheuern, klimpern, wenn man sich bewegt. Auch die Menschen selbst erzeugen Geräusche: sie reden, lachen oder telefonieren, vor allem: das Treppenhaus beeinflusst, sobald man sich hineinbegibt, die Häufigkeit bestimmter Geräusche: Je höher man steigt, je stärker die Treppe den Körper belastet, desto eher werden Gespräche einsilbiger oder verstummen, desto eher hört man Keuchen, Schnaufen, Klagen. Form und Material des Treppenhauses schaffen einen bestimmten Hörräum: Weiches Linoleum lässt die Schritte anders klingen als harter Stein oder knarrendes Holz; ein großes Treppenhaus mit weitem Treppenauge ist ein anderer Resonanzkörper als eine kleine Stiege. Somit gesellt sich ein akustischer Rhythmus zum taktuellen und kinästhetischen.

Das Zusammenspiel der Sinne

Für beide Treppenhäuser gilt, dass kinästhetischer, taktueller und akustischer Rhythmus in manchen Hinsichten synchron, in anderen asynchron sind (Man könnte noch den visuellen, ölfaktorischen oder thermischen Rhythmus berücksichtigen, worauf ich verzichte.). Hierzu ein paar Beispiele:

  • Während der Körper bei der Treppennutzung weitgehend symmetrisch beansprucht wird, gilt dies für den Tastsinn nicht. Der Handlauf führt am Treppenauge ununterbrochen und stetig von unten nach oben. Wer also in konventioneller Weise hinaufgeht, kann nur mit der linken Hand den Handlauf ertasten, während die rechte Hand sozusagen frei bleibt. Beim Hinabsteigen verhält es sich in taktueller Hinsicht umgekehrt: die rechte Hand gleitet am Handlauf entlang. In kinästhetischer Hinsicht wird der Körper wiederum annähernd symmetrisch belastet.
  • Der akustische Rhythmus kann durch Hallphänomene gestört werden, denen eine kinästhetische oder taktuelle Entsprechung fehlt.

Der Boden (natürliche Nord-Süd-Asymmetrie)

Diese künstliche Nord-Süd-Asymmetrie der Treppenhäuser nimmt eine andere, natürlich gegebene Nord-Süd-Asymmetrie im Sprinkenhof auf. Diese erschließt sich dem Blick, aber vor allem dem Kraft- und Gleichgewichtssinn: Die Bodenfläche steigt von Süden nach Norden an. Das ist gut zu sehen im Sockelbereich und gut zu spüren als Fußgänger*in oder Radfahrer*in. Ohne die Fortführung der Springeltwiete innerhalb des Innenhofs wäre die Neigung kaum wahrnehmbar. Da die Oberkanten der Einfahrten auf gleicher Höhe liegen, die Unterkanten aber dem Bodenniveau folgen, sind die südlichen Einfahrten höher als die nördlichen. Dem Sockelgeschoss kommt eine verbindende und trennende Aufgabe zu:

  • Beispielsweise vermitteln Stufen zwischen dem schrägen Boden des Außenraumes und dem waagrechten Boden des Innenraums. Dadurch wird der Zugang zu den Geschäften im Erdgeschoss des Sprinkenhofs bequemer bzw. überhaupt erst ermöglicht.
  • Stufen trennen aber auch: Für Rollstuhlfahrer*innen oder Personen, deren Mobilität davon abhängt, dass ein Höhenunterschied durch schräge Ebenen überwunden werden kann, ist eine Stufe ein Hindernis.

West- und Ostbau des Sprinkenhofs

Der Westbau des Sprinkenhofs wurde von 1930 bis 1932 errichtet. Die Gebrüder Gerson waren für die Pläne zuständig, allerdings verstarb Hans Gerson 1931. Die Pläne für den 1939-1943 erstellten Ostbau stammen von Fritz Höger. Oskar Gersin war 1938 in die USA emigriert, nachdem er als Jude mit einem Berufsverbot belegt worden war.

Sprinkenhof besuchen

Die nächstgelegene U-Bahnstation ist Mönckebergstraße. Durch die Straßen „Barkhof“ und „Jacobikirchhof“, vorbei an der Petrikirche, biegt man erst links in die Steinstraße und dann die zweite Straße rechts in die Springeltwiete.

Was ist ein Kontorhaus?

Das Kontorhausviertel in Hamburg zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das Chilehaus ist sogar ein weltbekanntes Kontorhaus. Was ist ein Kontorhaus?

Was ist ein Kontor?

Ein Kontor bezeichnet das Arbeitszimmer der Kaufleute. Das Wort leitet sich ab vom französischen „comptoir“, das  Zahltisch, Verkaufstisch, Theke oder (Bank-)Schalter bedeutet. Gemeint ist also ein Tisch für kommerzielle Zwecke. Auf einem solchen Tisch befinden sich z. B. Geschäftsbücher, ein Abakus oder eine Geldwaage.

Marinus van Reymerswale - The Banker and His Wife - WGA19323

Bei dem traditionellen Hamburger Bürgerhaus war das Kontor zusammen mit Wohnung und Speicher unter einem Dach vereint. In der Deichstraße an der Nikolaifleet, nördlich der Speicherstadt gelegen, hat sich ein Ensemble dieser Bürgerhäuser erhalten (Siehe Abbildung unten.).

Hamburg Fleet mit Reimersbrücke und Katharinenkirche 1863

Ein Kontor ist kein Büro, und ein Kontorhaus kein Bürohaus: Das Wort „Büro“ stammt ebenfalls aus dem Französischen, nämlich von „bureau“. Das bedeutet Schreibtisch. Geldwaage und Abakus braucht man nicht, dafür aber z. B. ein Wörterbuch, Manuskripte oder andere Bild- oder Textbücher.

Was ist ein Kontorhaus?

Ein Kontorhaus ist ein Gebäude mit Kontoren, also mit Arbeitsräumen für Kaufleute. Es handelt sich um eine spezialisierte Weiterentwicklung der alten Kaufmannshäuser: Das Haus enthält in den oberen Geschossen überwiegend Kontore, im Erdgeschoss sind Geschäftsläden untergebracht. Speicher- und Wohnräume sind ausgelagert – in Hamburg in die Speicherstadt und die Villenviertel.

Ein Kontorhaus ist oft im Eigentum einer einzigen Person und wird an zahlreiche Nutzer vermietet, während bei einem Hamburger Bürgerhaus der Eigentümer oftmals auch der alleinige Nutzer war. Beispielsweise war der Hamburger Kaufmann Henry B. Sloman der erste Eigentümer des Chilehauses. Inzwischen ist es ein Investitionsobjekt der Union Investment.

Die Vorbilder

Manchmal liest man, dass nordamerikanische Bürogebäude das Vorbild für die Kontorhäuser gewesen seien. Damit wird man aber der Vielfalt der Einflüsse nicht gerecht: Als Vorbild für das erste Hamburger Kontorhaus, den Dovenhof, gelten vielmehr Londoner Geschäftshäuser – zumindest bezüglich der Funktion. Möglicherweise spielten auch andere Gebäudetypen, z. B. Passagen, eine Rolle. Vorbild für die Fassade des Dovenhofs waren Bauten der französische Renaissance. Für die Fassade des Chilehauses kam hingegen Backstein zum Einsatz, der das traditionelle Material norddeutschen Kirchen und Rathäuser war. Bedeutende Beispiele sind die Kirchen in Lübeck, Stralsund oder Wismar oder das Bremer Rathaus.

Außerdem ist zu bedenken, dass zwischen dem Bau des ersten Kontorhauses (1885) und den jüngeren Häusern (z. B. Sprinkenhof, fertiggestellt 1943) gut 60 Jahre liegen. In dieser Zeit wirkten unterschiedliche ästhetische Strömungen (Historismus, Jugendstil, Expressionismus, Heimatstil) auf die Entwicklung des Gebäudetypus Kontorhaus ein. Hinzu kamen technische Erneuerungen: Der Stahlskelettbau ersetzte den Massivbau.

  • Das älteste Kontorhaus war der Dovenhof. Man hat ihn 1885-1886 an der Brooksbrücke gegenüber der Speicherstadt errichtet und 1967 abgerissen.
  • Das bekannteste Kontorhaus dürfte das Chilehaus sein. Es wurde 1922-1924 nach den Plänen von Fritz Höger erbaut. Das benachbarte ehemalige Dienstgebäude der Hamburger Landherrenschaft (1906-1908) orientiert sich an den alten Bürgerhäusern. Es erlaubt somit einen Vergleich zwischen den Gebäudetypen Hamburger Bürgerhaus und Kontorhaus.
  • Zum Weltkulturerbe „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ zählen vier Kontorhäuser: Neben dem Chilehaus der Sprinkenhof, der Meßberghof und der Montanhof.

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Dovenhof (Hamburg) - Grundriss Erdgeschoss

Dovenhof – Hamburgs erstes Kontorhaus

Dovenhof

Hamburgs erstes Kontorhaus

Jeder kennt das Chilehaus. Aber wer kennt den Dovenhof? Bei seiner Fertigstellung 1886 war er eine architektonische Pionierleistung: das erste Kontorhaus Hamburgs, Vorbild für viele andere Gebäude. Vielleicht wäre auch der Dovenhof Teil des Weltkulturerbes – hätte man ihn nicht 1967 abgerissen, um dem Spiegel-Redaktionsgebäude Platz zu machen.

Lage

Der Dovenhof wurde an der Brandstwiete 1 errichtet. Diese Straße ist der südliche Abschnitt der Nord-Süd-Achse Jungfernstieg – Brandstraße – Alter Fischmarkt, die die Altstadt durchzieht und über die Kornhausbrücke in die Speicherstadt führt. Der Dovenhof lag also an prominenter Stelle, direkt an einem der Hauptzugänge zu den Speichern.

Architekt & Bauherr

Der Architekt des Dovenhofs, Martin Haller (1835-1925), war auch beteiligt an der Planung des Hamburger Rathauses (1886-97) und der Laeiszhalle (mit Wilhelm Meerwein, 1904-08).

Der Bauherrr war Heinrich Ohlendorff (1836-1928). Sein Unternehmen, das Handelshaus Ohlendorff & Co., war bis zum 1. Weltkrieg der größte deutsche Importeur von Guano, der in Chile abgebaut wurde. Guano, die Exkremente von Seevögeln, diente als Dünger oder für die Sprengstoff-Produktion.

Das Gebäude

Pincerno - Dovenhof 1900.jpg
Dovenhof, Blick auf die Südwestecke. Urheber unbekannt, 1900 – pincerno, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3914761

Der Architekt Martin Haller entwarf für den Kaufmann Heinrich Ohlendorff ein Gebäude, bei dem sich ein neuer Bautyp mit moderner Technik hinter einer Fassade im Neorenaissance-Stil und mit traditionellen Materialien (Granit, Sandstein) verbirgt. Der Dovenhof soll „nach Londoner Anregungen zur Vermietung von Einzelkontoren und Musterlagern an verschiedene Handelsfirmen“ (Dehio: Hamburg, Schleswig-Holstein, 1994, S. 37) entworfen worden sein. Der Gebäudetyp der Passage, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufkam, mag ebenfalls als Vorbild gedient haben. Die westliche Hälfte des rautenförmigen Grundstücks nahm der Passagenriegel ein, die östliche zwei Innenhöfe und angrenzende Lagerräume (Siehe Grundriss oben.).

Das Innere des Dovenhofs

Trat man von der Brandstwiete durch das Portal an der westlichen Längsseite, gelangte man durch einen Vorraum in ein hohes achteckiges Vestibül, das der Verteilung der Besucher diente. Eine Treppe und ein dampfgetriebener Paternoster von Hennicke & Goos, der erste Kontinentaleuropas, führten in die oberen Stockwerke. Zu beiden Seiten des Vestibüls erstreckte sich ein überdachter, galerieumsäumter Lichthof für die horizontale Erschließung. Der nördliche Lichthof führte weiter in einen Korridor, der in den Nordflügel abknickte, diesen durchzog und zu beiden Seiten Kontore erschloss. Im Gebäude gab es noch mehr Treppen, außerdem Warenaufzüge, die den Vertikaltransport erleichterten. Modern waren die elektrische Beleuchtung und die Dampfheizung. Im Vergleich zu den Hamburger Bürgerhäusern, die sich auf schmalen Parzellen aneinander schmiegten, besaß der Dovenhof bis dahin unbekannte Dimensionen: Er füllte die gesamte Breite des Straßenblocks aus.

Laeiszhof als Anschauungsbeispiel

Um sich einen ungefähren Eindruck vom Inneneren des Dovenhofs zu machen, bietet sich der Laeiszhof an. Er wurde 1897-98 an der Trostbrücke 1 erbaut. Architekten waren Haller, Hanssen und Meerwein. Das linke Foto zeigt den Lichthof des Dovenhofs; die Fotos rechts wurden im Laeiszhof aufgenommen. In beiden Gebäuden handelt es sich um einen großen, mehrstöckigen Raum. Er ist von oben belichtet und von Galerien umsäumt. Der Laeiszhof ist  – wie einst der Dovenhof – mit einem Paternoster ausgestattet. Er zählt zu den letzten ihrer Art, die noch in Betrieb sind. Der Laiszhof wirkt eleganter: Der Lichthof ist breiter, die schweren Baluster sind durch ein filigranes Eisengitter ersetzt; die dunklen Tragarme der Galerien, die die Decken visuell zerstückeln, sind hellen Deckenflächen gewichen. 

Pincerno - Lichthof Dovenhof.jpg
Von unbekannt, 1886 - pincerno; Chronik Hamburg, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München, 2. Auflage 1997, S. 300, ISBN 3-577-14443-2, PD-alt-100, Link

Laeiszhof Treppenhaus
Hamburg Trostbruecke 1 01 KMJ

Dovenhof und Speicherstadt

Der Bau der Speicherstadt begann 1883, 1888 war der erste Abschnitt der Speicherstadt vollendet, bis zur Fertigstellung der gesamten Anlage vergingen fast 30 Jahre.

Als 1885 der Spatenstich für den Dovenhof erfolgte, waren die Bauarbeiten an der Speicherstadt zwar schon zwei Jahre im Gange, aber noch lange nicht beendet. Bei der Fertigstellung des Dovenhofs stand also das Lagervolumen der Speicherstadt noch gar nicht zur Verfügung; zugleich war absehbar, dass das Volumen in Zukunft zunehmen würde. Der Dovenhof bedeutete in der Entwicklung der Gebäudetypen einen Fortschritt:

  • Das Hamburger Bürgerhaus vereint die Funktionen Wohnung, Warenlager und Kontor unter einem Dach. 
  • Der Dovenhof dient noch der Kontor- und Lager-Funktion, aber nicht mehr dem Wohnen. Ohlendorff lebte in einer Villa im Stadtteil Hamm (siehe unten).
  • In einer dritten Phase, sich anbahnend mit dem Bau der Speicherstadt, werden auch Kontor und Lager räumlich voneinander getrennt. Zugleich vereint man Gebäude der gleichen Funktion in spezialisierten Stadtvierteln:
    • Die Speicher sind in der Speicherstadt vereint.
    • Die Kontore sind in Kontorhäusern untergebracht, die sich im Kontorhausviertel befinden. Ein Beispiel ist das Chilehaus.
    • Die Wohnungen der Kaufleute und die der Arbeiter*innen sind in Villen- und Arbeitervierteln ausgelagert.

Ohlendorff-Villa in Hamburg-Hamm um 1900.jpg
Ohlendorff-Villa im Hamburg-Hamm. Von unbekannt, PD-alt-100, Link

Ohlendorff-Villa

Heinrich Ohlendorff wohnte in einer Villa im Stadtteil Hamburg-Hamm (Schwarze Str. 1). Die Ohlendorff-Villa wurde ebenfalls vom Architekten Martin Haller geplant und 1872-74 erbaut, umgeben von einem großen Park. 1943 erhielten Park und Villa Bombentreffer; nach dem Krieg beseitigte man die Ruinen. Die Ohlendorff-Villa ist nicht zu verwechseln mit der Ohlendorff’schen Villa in Hamburg Volksdorf. Heinrichs Sohn ließ diese 1928-29 nach Plänen von Erich Elingius und Gottfried Schramm erbauen. Sie dient heute u. a. als Kaffeehaus (Webseite: https://ohlendorffsche.de/)

Karolinen-Passage (Karolinenviertel Hamburg)

Arbeiterwohnungen

Die Speicherstadt wurde auf dem Gebiet eines alten Arbeiterviertels errichtet. Die von dort vertriebenen Bewohner*innen fand weiter auerhalb eine neue Bleibe. Ein Beispiel ist die Karolinen-Passage im Karo-Viertel. Zwischen Glashüttenstraße (Westen) und Karolinenstraße (Osten) entstanden zwei Straßen mit Reihenhäusern. In Hamburg spricht man von „Terrassenhaus“ in Anlehnung an das  englische Wort für Reihenhaus: „terraced houses“; eine Terrasse sucht man also vergebens. Das Foto zeigt (mit Blick nach Osten) Häuser, die ab 1883 erbaut wurden. Sie sind dreistöckig und haben einen kleinen Hinterhof. 

Vergleich Dovenhof und die Kontorhäuser des 20. Jahrhunderts

Der Dovenhof unterscheidet sich in mehrererlei Hinsicht von den später erbauten Kontorhäusern des 20. Jahrhunderts, denen man im Kontorhausviertel begegnet:

  • Der Dovenhof wurde in Massivbauweise errichtet, d. h., die Außen- und Innenwände hatten eine tragende Funktion; die Gebäude im Kontorhausviertel sind dagegen in Skelettbauweise errichtet: ein Tragskelett aus Stützen und Decken führt die Last ab, Außen- und Innenwände haben keine tragende Funktion, sondern dienen lediglich der Trennung von Außen- und Innenraum bzw. der Binnengliederung.
  • Als Material kam beim Dovenhof Naturstein zum Einsatz, bei den Kontorhäusern Backstein für die Fassade und Stahlbeton für die Stützen und Decken.
  • Die Fassadengestaltung des Dovenhofs nimmt Motive der französischen Renaissance auf, das Chilehaus zeigt hingegen Einflüsse der norddeutschen Backstein-Gotik.
  • Die markante Dachlandschaft des Dovenhofs ist den Gebäuden im Kontorhausviertel fremd: Dort dominiert das Flachdach, meist in Kombination mit gestaffelten Obergeschossen.
  • Nicht zuletzt sind die Dimensionen des Dovenhofes andere als die der später errichteten Kontorhäuser: die Grundfläche ist kleiner und die Gebäudehöhe geringer.

Den Zweiten Weltkrieg überstand der Dovenhof unzerstört, 1967 wurde er abgerissen. An seiner Stelle errichtete man das Spiegel-Gebäude.

Spiegel-Gebäude

Spiegel-Kantine, Hamburg (2006)

Das Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ zog in das Bürogebäude (erbaut 1967-69) ein, das der Hamburger Architekt Werner Kallmorgen entworfen hatte. Seine Bauten sind stadtbildprägend: z. B. entwarf er den Kaispeicher A (1962-66), der zur Elbphilharmonie aufgestockt wurde. Das dunkle Gebäude, das auf dem Foto oben rechts am Bildrand geschnitten wird, stammt auch von Kallmorgen; es ist das IBM-Hochhaus (1963-67). Das von außen grau und monoton wirkende Spiegel-Gebäude hatte es aber in sich: Legendär ist die Inneneinrichtung des dänischen Designer Verner Panton (1926-98). Das Foto zeigt die Spiegel-Kantine im Jahr 2006. Sie steht seit 1998 mit der Snackbar unter Denkmalschutz. Diese wurde in das neue Spiegel-Gebäude Ericusspitze eingebaut, die Kantine befindet sich im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Neuer Dovenhof

Hamburg Neuer Dovenhof

Inzwischen gibt es einen Neuen Dovenhof: Er wurde 1991-94 eine Ecke weiter nördlich erbaut – zwischen Kleine Reichenstraße und Willy-Brandt-Straße. Die Pläne stammen von den Hamburger Architekten Konstantin Kleffel, Uwe Köhnholdt sowie Bernd Gundermann. Das Foto zeigt den Neuen Dovenhof mit Blick von der Brandstwiete nordwärts. Am rechten Bildrand erkennt man die Ecken des Spiegel-Gebäudes.

Literatur

Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Hamburg, Schleswig-Holstein. Bearbeitet von Johannes Habich, Christoph Timm (Hamburg) und Lutz Wilde (Lübeck). München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 1994.


Beitragsbild: Von Martin Haller († 1925) – pincerno; * Hamburg-Lexikon, Zeiseverlag Hamburg, 2. Auflage 2000, S. 283, Bild-PD-alt, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=3921713

UNESCO-Welterbe in der Nähe des Dovenhofs

Chilehaus Hamburg 1

Speicherstadt und Kontorhausviertel mit dem Chilehaus in Hamburg

Vom Standort des Dovenhofs ist es nur einen Steinwurf weit bis zu Hamburgs UNESCO-Weltkulturerbe: Die Kornhausbrücke führt in die Speicherstadt, die südlich des Dovenhofs erbaut wurde. Das Foto zeigt das bekannte Chilehaus. Es befindet sich nicht in der Speicherstadt, sondern im Kontorhausviertel, das östlich des Dovenhofs liegt.