Bergpark Wilhelmshöhe: die Herkulesarbeit von Kassel
Bergpark Wilhelmshöhe. Überblick
Der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel ist eine Seltenheit unter den Parkanlagen: Er liegt nicht in der Ebene, sondern zieht sich am Hang des Karlsbergs bis zur Spitze mit dem Herkules. Eine besondere Attraktion sind die Kasseler Wasserspiele, die im Sommer stattfinden.
Auf dem Berg befinden sich der Herkules, Stauseen und das Besucherzentrum Herkules.
Am Berghang führen die Kaskaden ins Tal, ein Wegnetz verbindet die Parkbauten, z. B. die Löwenburg.
Im Tal stehen Schloss Wilhelmshöhe mit der Großen Fontäne sowie das Besucherzentrum Wilhelmshöhe.
Vom Herkules durch den Bergpark zu Schloss Wilhelmshöhe
Sichelbachbecken
Auf der Hochebene beim Herkules gibt es mehrere Gewässer: östlich des Besucherzentrums liegen Feuerlöschteich und Unglücksteich; westlich das 90 m x 70 m große Sichelbachbecken. Der Staudamm wurde um 1700 angelegt und hat bei einer Tiefe von bis zu 7 Metern ein Fassungsvermögen von rund 40.000 Kubikmetern. Durch Röhren fließt das Wasser in den Löschteich und von dort zu den Kaskaden. Pro Wasserspiel werden rund 2.100 Kubikmeter Wasser abgelassen.
Herkules & Riesenschloss
Auf der Bergspitze errichtete man ab 1701 das sogenannte „Riesenschloss„. Es handelt sich dabei um ein Oktogon mit einer aufgesetzten Pyramide. Auf deren Spitze steht der Herkules und schaut ins Tal hinab. Er ist riesenhaft, nämlich 8,25 m groß, kupfergrün und hohl. Das gesamte Bauwerk ist rund 70,5 m hoch.
Während des Jahres sammelt man Wasser in Speicherseen auf dem Berg. Im Sommer lässt man mehrmals im Monat einen Teil des Wassers ab, bis die Speicherseen erschöpft sind. Seit über 300 Jahren hat sich an dem Beflutungsprinzip nichts geändert.
Kaskaden im Bergpark
Von der Bergspitze fließt im Sommer Wasser vom Riesenkopfbecken über Kaskaden talwärts zum Neptunbecken, passiert den Steinhöfer Wasserfall und die Teufelsbrücke, stürzt von einem Aquädukt hinab und endet in der Großen Fontäne bei Schloss Wilhelmshöhe (Video).
Wasserorgel von Wilhelmshöhe
Am Fuße des Oktogons befinden sich drei Nischen. In der mittleren, der Vexierwassergrotte, verbirgt sich hinter der Figur des Pan die „Wasserorgel von Wilhelmshöhe“ (1705, Andreas Zahn, Johann Wenderoth; erneuert 1778 durch George P. Wilhelm). Wasserkraft treibt die Drehorgel an, die mit 81 Bleipfeifen sechs Melodien spielen kann. Das Original von 1778 ist im Schloss Wilhelmshöhe ausgestellt; eine Kopie erklingt ab 2021 an alter Stelle. Davor liegt das Artischockenbassin.
Höllenteich und Plutogrotte
Am Neptunbassin quert die Tannenchaussee die Schneise zwischen Oktogon und Schloss Wilhelmshöhe. Folgt man der Chaussee gegen den Uhrzeigersinn nach Süden gelangt man zur Bushaltestelle Große Kaskaden/Neptunbecken und zur Kaskadenwirtschaft.
Westlich des Bassins steht das achteckige Felseneck (1794, Jussow). Folgt man dem Weg ostwärts, erreicht man das Fontänenreservoir. Östlich davon liegen die Plutogrotte (1766–68, Simon du Ry; erneut 1820, Johann C. Bromeis) mit den Meeresungeheuern (Johann August Nahl d. Ä.) sowie der Wasserfall an der Teufelsbrücke. (Wasserfall: 1791–93, Jussow; Teufelsbrücke: 1826, Bromeis). Von dort fließt das Wasser in den Höllenteich.
Löwenburg & die Parkbauten
In dem Bergpark befinden sich zahlreiche sehenswerte Parkbauten, z. B. die Ruine der Löwenburg (1793–1800). Sie ist ein frühes Beispiel der Neugotik. Heinrich Jussow plante die Löwenburg als Ruine mit verfallenen Türmen und Gemäuern. Der durch Bombentreffer beschädigte Bergfried wird gegenwärtig (2022) wiederaufgebaut. Das Foto oben zeigt links die Burgkapelle, im Hintergrund den Treppenturm, an dem sich der Bergfried anschloss.
Nördlich der Löwenburg liegt der Burggarten mit dem Kleeblattbrunnen. Im Süden der Burg befindet sich der Turnierplatz.
Dem Architekten der Löwenburg, Heinrich Jussow, ist der Jussow-Tempel (1817–18) gewidmet. In der Nähe standen außerdem eine Moschee und eine kleine Windmühle.
Andere Parkbauten sind die Eremitage des Sokrates (um 1775) oder die Cestius-Pyramide (um 1775).
Schloss Wilhelmshöhe
Am Fuß des Bergparks liegt Schloss Wilhelmshöhe (1786–97). Schloss Wilhelmshöhe besteht aus drei Flügeln:
Weißensteinflügel und Kirchflügel sind ein Werk des Architekten Simon Louis de Ry (1726–99).
Der Mitteltrakt wurde nach Plänen von Heinrich Christoph Jussow (1754–1825) erbaut.
Die bogenförmigen Zwischenbauten verbinden die drei Flügel. Sie wurden ab 1811 einstöckig erbaut und später aufgestockt.
1807–13 residierte Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte als „König Lustik“ in dem Schloss. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss schwer beschädigt. Nur im Weißensteinflügel hat sich die Ausstattung originalgetreu erhalten; dort befindet sich das Schlossmuseum. Im Mitteltrakt sind zwei sehenswerte Sammlungen ausgestellt:
die Gemäldegalerie Alte Meister (u. a. mit Werken von Dürer, Rembrandt, Rubens, Tizian),
die Antikensammlung (antike Skulpturen und Münzen).
Rembrandt: Der Jakobsegen (1656)
Tizian: Bildnis eines Feldherrn (um 1550)
Rubens: Venus, Amor, Bacchus & Ceres (1613)
Dürer: Bildnis der Elsbeth Tucher (1499)
Großes Gewächshaus
Das Große Gewächshaus (1822, Bromeis) ist ein sehr frühes Beispiel für den Glas-Eisenskelettbau. Seit der Entdeckung Amerikas baute man an europäischen Höfen exotische Früchte an: zunächst Orangen, später Ananas. Für die Überwinterung errichtete man im 18. Jahrhundert gemauerte Orangerien (die mit 175 m längste Orangerie Deutschlands steht in Oranienbaum, UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz). Später experimentierte man mit verglasten Holzkonstruktionen. Die Industrialisierung ermöglichte die alleinige Nutzung von Eisen und Glas als Baumaterial.
(Orangerie Kassel)
Das nächstgelegene Beispiel eines barocken Gewächshauses ist die 139 m lange Orangerie in der Kasseler Karlsaue (1703–11, Johann Konrad Giesler). Das Große Gewächshaus nimmt die Form der Orangerie mit Mittel- und Eckpavillons auf, allerdings etwas verkleinert, verglast und ohne barocken Zierrat. 1887 wurde der Mittelbau des Gewächshauses verändert. Die Ähnlichkeit wird deutlich, wenn man zum Vergleich ein anderes UNESCO-Welterbe heranzieht:
Die Königlichen Botanischen Gärten von Kew bei London zählen mit ihren alten Gewächshäusern seit 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das älteste dieser Gewächshäuser, das Palm House (Decimus Burton), wurde 1841–49 errichtet, also fast zwei Jahrzehnte nach dem Bau des Großen Gewächshauses in Kassel.
Ballhaus
Nördlich des Schlosses steht das klassizistische Ballhaus. Als Hessen von den Franzosen besetzt war, regiert Napoleons Bruder Jérôme, genannt König Lustig. Er ließ 1809–10 (Architekt: Leo von Klenze) das Hoftheater erbauen. Es wurde 1828–30 zu einem Ballhaus umgebaut.
Dorf Mulang
Südlich des Schlosses erstreckt sich das chinesische Dörfchen Mul-lang entlang der Mulangstraße. Es wurde ab 1781 durch den Hofgärtner Daniel August Schwarzkopf angelegt. Von den einst 21 Gebäuden haben sich noch 13 erhalten, darunter eine kleine Pagode (1776–82).
Abstecher zu Schloss Wilhelmsthal
Gebäude an der Tulpenallee
Nördlich der stark befahrenen Wilhelmshöher Allee/Tulpenallee stehen mehrere Gebäude: Der Marstall (1791, Jussow; umgebaut 1822, Bromeis) ist eine nach Norden hin offene Dreiflügelanlage.
Östlich des Marstalls stehen das Schlosshotel Wilhelmshöhe (1827 erbaut; nach Kriegszerstörung Neubau 1955) sowie die Alte Wache (1824–26, Bromeis) und die Alte Post (1897).
Westlich steht das Kavalierhaus (1780, du Ry; Umbau 1825, Bromeis).
Nördlich des Marstalls befindet sich die Reithalle (1797), die auch für Konzerte genutzt wird.
Die Tulpenallee geht über in die Rasenallee, und diese führt rund acht Kilometer nordwärts zu zweiten Schlossanlage: Schloss Wilhelmsthal bei Calden, umgeben von einem Landschaftspark.
Schloss Wilhelmsthal
Schloss Wilhelmsthal zählt zu den besterhaltenen Rokokoschlössern Deutschlands. Von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs blieb die Anlage verschont – im Unterschied zu den Schlössern (und Welterbestätten) Würzburg und Augustusburg. Hier lebte auf Gut Amelgotzen eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit, Amalie von Hanau-Münzenberg (1602–51). Sie nannte das Gut in „Amalienthal“ um.
Wilhelm VIII. ließ dort das Schloss 1743–61 nach Plänen von Francois de Cuvillié und Simon du Ry erbauen. Er gab ihm den Namen „Wilhelmsthal“. Links oben ein Teil der Innenausstattung; unten der Blick über den Kanal zur Grotte.
Die UNESCO hat den Bergpark Wilhelmshöhe zum Weltkulturerbe erklärt, weil zwei (von sechs) Weltkulturerbe-Kriterien erfüllt sind (Übersetzung durch das Auswärtige Amt):
„Kriterium (iii): Die alles überragende Herkulesstatue und die Wasserspiele des Bergparks Wilhelmshöhe sind ein außergewöhnliches Symbol für das Zeitalter des europäischen Absolutismus.
Kriterium (iv): Die Wasserspiele im Bergpark Wilhelmshöhe sind ein außergewöhnliches und einzigartiges Beispiel für monumentale Wasserbaukunst. In Bezug auf Höhe und Größe sind die Kaskaden und künstlichen Wasserfälle einmalig. Die den rund 560 Hektar großen Park weit überragende Herkulesfigur ist sowohl künstlerisch als auch technisch die anspruchsvollste Monumentalstatue der Frühen Neuzeit. Das Ensemble aus Wasserkünsten, eingebettet in monumentale architektonische Strukturen, ist in der Gartenkunst des Barock und der Romantik einzigartig.“ (Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2277212/bfe673fde5265c214820d11966f5143a/38–bergpark-wilhelmshoehe-data.pdf)
Bergpark Wilhelmshöhe: Informationen für Besucher*innen
Besucherzentrum Herkules
Das Besucherzentrum Herkules liegt auf der Bergspitze beim Herkules. Auf 550 m² kann man sich über den Bergpark informieren, Karten kaufen oder dem Klangkonzept von triosence lauschen. Das Besucherzentrum wurde 2011 eröffnet und ist ein Werk des Architekturbüros Volker Staab.
Der Nationalpark Kellerwald-Edersee liegt südwestlich von Kassel und zählt mit vier anderen Buchenwäldern zum transnationalen Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder Deutschlands„.
Kloster Corvey (Höxter) 51 km
Kloster Corvey bei Höxter an der Weser besitzt das besterhaltene karolingische Westwerk sowie eine große Bibliothek, in der Hoffmann von Fallersleben arbeitete.
Ähnliche Welterbestätten wie der Bergpark Wilhelmshöhe
Der Bergpark Wilhelmshöhe zählt zu den Kategorien: