Augsburgs historische Wasserwirtschaft: UNESCO-Welterbe

Augsburg: Blick in die Maximilianstraße südwärts auf den Herkulesbrunnen und die Kirche St. Ulrich und St. Afra im Hintergrund (UNESCO-Welterbe Augsburgs historische Wasserwirtschaft)

Augsburgs historische Wasserwirtschaft. Überblick

Das UNESCO-Weltkulturerbe „Augsburgs historische Wasserwirtschaft“ besteht aus mehreren Bauwerken in der Altstadt und Umgebung von Augsburg:

  • Stauwehre, die Flüsse und Bäche aufstauen,
  • Kanäle, die das Wasser in die Stadt transportieren,
  • Wassertürme, die das Wasser zwischenspeichern,
  • Prachtbrunnen, an denen man das Wasser entnehmen kann,
  • Wasserkraftwerke nutzen die Wasserkraft u. a. zur Stromerzeugung.

Bei einem Augsburg-Rundgang durch die Altstadt kann man einen großen Teil der Welterbe-Bauwerke besuchen: die Prachtbrunnen und Kanäle sind jederzeit frei zugänglich; die Wassertürme nur zu den Öffnungszeiten. Die Stauwehre sind für einen Spaziergang ziemlich weit entfernt, aber mit dem Rad gut erreichbar.

Wasserwerk am Roten Tor: Deutschlands ältester Wasserturm

Wassertürme am Roten Tor, links St. Ulrich (UNESCO-Welterbe Augsburgs historische Wasserwirtschaft)

Deutschlands ältester erhaltener Wasserturm steht in Augsburg. Es ist der Große Wasserturm (siehe Foto oben: Mitte). Er wurde 1412–16 errichtet und zählt zum Wasserwerk am Roten Tor. Das Ensemble befindet sich im Süden der Altstadt Augsburg. Das Foto zeigt (mit Blick nach Nordwesten) links den Torturm, das Rote Tor. Der Große Wasserturm im Vordergrund verdeckt fast vollständig den Kleinen Wasserturm. Rechts am Großen Wasserturm angebaut ist das Obere Brunnenmeisterhaus. Der Turm rechts ist der Kastenturm, der Garten davor zählt zum Handwerkerhof. Rechts außerhalb des Bildes befindet sich das Handwerkermuseum (Unteres Brunnenmeisterhaus). Im Hintergrund der Kirchturm von St. Ulrich und Afra.

Wasserwerk am Roten Tor, Modell eines Kettentrieb-Pumpwerks

Im Wasserwerk am Roten Tor veranschaulichen Modelle das Prinzip der Wassertürme: Wasser wird durch Zuläufe in einen Behälter in der Höhe gepumpt und dort zwischengespeichert. Durch Abflüsse gelangt das Wasser zu den Entnahmestellen, z.  B. den Prachtbrunnen. Wahre Prachtbauten sind auch die Wassertürme selbst:

Kleiner Wasserturm: Gewölbe mit Wasserkasten-Modell. Foto: Felix Hartmann

Kleiner Wasserturm

Das Foto zeigt das Innere des Kleinen Wasserturms (1470, erweitert 1559 und 1672). Die Decke ist mit aufwändigem Stuck verziert. Das Metallgestänge gibt die Umrisse des Wasserbehälters wieder. Dargestellt sind auch die beiden Zuläufe und der Ablauf.

Wasserbecken im Kastenturm (Augsburg)

Kastenturm

Der benachbarte Kastenturm ist ein ehemaliger Wehrturm.  Man hat ihn 1559 umgebaut und aufgestockt.

Der Kupferstich (ca. 1680, Simon Grimm) zeigt Besucher*innen vor dem Wasserkasten, der mit Figuren wie ein Prachtbrunnen geschmückt ist. Schon damals stattete man diesem technischen Denkmal einen Besuch ab. Eine Person links im Bild zeigt mit einem Stock auf den Wasserbehälter. Die vier Personen links scheinen allerdings eher aneinander interessiert zu sein, einer grübelt und ein anderer genießt lieber den Ausblick.

Brunnenmeisterhaus in der Altstadt Augsburg

Unteres & Oberes Brunnenmeisterhaus

Zur Infrastruktur von Augsburgs Wasserwirtschaft zählen Gebäude, die dem Unterhalt des Systems dienten. Im Unteren Brunnenmeisterhaus waren Werkstätten und Lager untergebracht. Heute befindet sich in dem Gebäude das Schwäbische Handwerkermuseum. Das Untere Brunnenmeisterhaus ließ Brunnenmeister Caspar Walter (1701–69) errichten. Er selbst wohnte – wie auch seine Vorgänger und Nachfolger – im Oberen Brunnenmeisterhaus. In dem Werk „Hydraulica Augustana“ (1754) beschreibt er das Wasserwirtschaftsystem zu seiner Zeit. Beide Gebäude stehen in der Nähe des Roten Tors. Adresse: Beim Rabenbad 6, 86150 Augsburg, Kontakt: www.hwk-schwaben.de

Aquädukt am Roten Tor

Aquädukt am Roten Tor

Das Aquädukt ist ein doppelstöckiges Bauwerk (1777, Johann Christian Singer). Es hat zwei Funktionen: Im unteren Bereich führt es Wasser (Aquä-dukt: Wasser-führung); im oberen dient es als Brücke über den Stadtgraben für Menschen und Warenverkehr. Das Aquädukt am Roten Tor kann immer noch Wasser führen.

Aquädukt am Roten Tor. Blick im Untergeschoss von der Kanal-Mitte in Fließrichtung des Kanals. Foto Christine Pemsl

Das Foto links zeigt einen Blick entlang des Aquädukts unterhalb der Straßenbrücke. Der Kanal ist offen – im Unterschied zu den abgedeckten Wasserleitungen römischer Aquädukte. Ursprünglich war der Kanal durch eine Holzwand zweigeteilt (siehe die Eisenbänder für die Haltung): Der Brunnenbach lieferte Trinkwasser, der Lochbach nur Brauchwasser.

Die drei Wassertürme bilden mit Oberem und Unteren Brunnenmeisterhaus und dem Brunnenmeisterhof das Ensemble Wasserwerk am Roten Tor im Süden der Altstadt. Dieses Wasserwerk gilt als das älteste Deutschlands. Öffnungszeiten und Führungen: 1. Sonntag im Monat (Mai – Okt.). Adresse: Am Roten Tor, 86150 Augsburg. Kontakt: tourismus@regio-augsburg.de

Prachtbrunnen der Maximilianstraße

Augsburg Augustusbrunnen (UNESCO-Welterbe Augsburgs historisches  Wassermanagementsystem)

Merkurbrunnen Augsburg von Westen (Augsburgs historische Wasserwirtschaft; UNESCO-Welterbe)

Die Maximilianstraße durchzieht die südliche Altstadt Augsburg in Nord-Süd-Richtung. Den nördlichen Abschluß bildet der Rathausplatz mit dem berühmten Augsburger Rathaus (Elias Holl), den südlichen der Ulrichplatz vor der Ulrichkirche. Auf dieser breiten repräsentativen Straße ließ man drei Prachtbrunnen erbauen:

  • Augustusbrunnen auf dem Rathausplatz (Foto unten rechts),
  • Merkurbrunnen in der Maximilanstraße, Höhe Bürgermeister-Fischer-Straße (Foto unten links),
  • Herkulesbrunnen in der Maximilanstraße zwischen Katharinengasse und Heilig-Grab-Gasse. (Foto oben. Standort früher: Weinmarkt)

Alle drei Brunnen wurden zwischen 1588 bis 1600 von den niederländischen Bildhauern Hubert Gerhard (1540 oder 1550–1620) und Adriaen de Vries (1545 oder 1556–1626) erbaut.

Wasserwerke

Hisorisches Wasserwerk am Hochablass bei Augsburg (UNESCO-Weltkulturerbe Augsburgs historische Wasserwirtschaft)

Zum Welterbe zählen mehrere Wasserwerke. Ein Beispiel ist das Historische Wasserwerk am Hochablass. Es steht südwestlich der Altstadt an der Abzweigung des Neubachs vom Lech (Lechwehr). Das Wasserwerk wurde 1879 erbaut und ersetzte das Wasserwerk am Roten Tor. Auch das Prinzip war ein anderes: Der Wasserdruck wurde nicht mithilfe von Wassertürmen erzeugt, von denen das Wasser hinabdrückte, sondern mithilfe von Pumpen. Öffnungszeiten und Führungen: 1. Sonntag im Monat. Adresse: Am Eiskanal 49, 86161 Augsburg, Kontakt: wassergmbh@sw-augsburg.de

Wasserkraftwerke

Wasserkraftwerk auf der Wolfzahnau (Augsburgs historische Wasserwirtschaft)

Während die Wasserwerke der Trinkwassergewinnung dienten, sorgen die Wasserkraftwerke für die Stromgewinnung. Die Wasserkraft treibt Turbinen an, die mithilfe von Generatoren Strom erzeugen. Ein Beispiel ist das Wasserkraftwerk an der Wolfzahnau (1891). Das Gebäude ist in Privatbesitz und nicht öffentlich zugänglich. Flußabwärts gibt es noch drei weitere Wasserkraftwerke (Gersthofen (1901), Langweid (1906) und Meitingen (1922)). Im Westen von Augsburg liegen drei Wasserkraftwerke: an der Singold (1887), am Fabrikkanal (1885) und am Wertachkanal (1920–21).

Es gibt so viele Wasserkraftwerke bei Augsburg, weil sich in der Stadt viele Industriebetriebe angesiedelt hatten. Bekannt ist z. B. die „Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg“, abgekürzt MAN. Die Industriebetriebe benötigten Strom für den Antrieb der Maschinen und gewannen ihn weitgehend umweltfreundlich mithilfe der Wasserkraft.

Kanäle von Augsburgs historischer Wasserwirtschaft

Augsburg Schwalllech in der Schwibbogengasse 2

Ein weitverzweigtes Kanalnetz durchzieht die Stadt Augsburg und deren Umgebung. Einige gehören zum Straßenbild, andere sind unscheinbare Hinterhofkanäle.

Flüsse und Kanäle in Augsburg. Weltkulturerbe: Augsburgs historische Wasserwirtschaft

Karte der Kanäle in Augsburg

Die Karte gibt einen schematischen Überblick über Lage und Größe der Kanäle. Gemessen am Wasserdurchfluss (in Kubikmetern) pro Sekunde sind die beiden größten Wasserläufe

  • die Wertach (Westen, ca. 27 m³/s)
  • der Lech (Osten, ca 86 m³/s)

Sie sind natürliche Flüsse, die man begradigt oder eingefasst hat, um die Naturkräfte zu zähmen und z. B. die Wasserkraft für die Stromerzeugung zu nutzen.

Zwischen ihnen durchzieht ein Netz aus mittleren und kleinen Kanälen die Altstadt:

Wertach Ackermannwehr

Wertach (großer Wasserlauf)

Die Wertach ist nach dem Lech der größte Wasserlauf in Augsburg. Das Foto zeigt die aufgestaute Wertach am Ackermannwehr (mit Blick nach Norden). Links steht das Turbinenhaus. Eine zickzackförmige Fischtreppe ermöglicht Fischen die Passage. Rechts im Hintergrund zweigt der Fabrikkanal ab. Auf der langgestreckten Insel zwischen Wertlach und Fabrikkanal erstreckt sich das Gögginger Wäldle.

Fabrikkanal 05

Fabrikkanal (mittelgroßer Kanal)

Ein Beispiel für einen mittelgroßen Kanal ist der Fabrikkanal (ca. 28 m³/s), der von der Wertach abzweigt. Am Fabrikkanal-Ufer liegt u. a. das Gögginger Luftbad (Adresse: Waldstraße 21,
86199 Augsburg). Von der großen Liegewiese am Westufer kann man per Leiter in den Kanal hinabsteigen. Hinter der Brücke (im Bildhintergrund) folgt das Wasserkraftwerk Fabrikkanal.

Eiskanal passing Corkscrew entering Carousel

Augsburger Eiskanal (kleiner Kanal)

Zwischen Neubach und Lech erstreckt sich die Kanustrecke. (Weiter nördlich liegt das Bundesleistungszentrum für Kanuslalom und Wildwasser.) Der nur 660 m lange Augsburger Eiskanal (10 m³/s) ist der älteste Kanukanal der Welt. Er wurde 1970–71 erbaut für die Olympischen Spiele 1972. Die kleinen Wasserwege haben Abzweigungen und Kreuzungen mit Wasserstraßen oder anderen Verkehrswegen.

Zirbelnuss-Kanal-Brücke in Augsburg

Kreuzungen

Bei den Kreuzungen führt ein Kanal über den anderen. Ein Beispiel ist die Zirbelnuss-Kanal-Brücke in der Nähe des Unteren Brunnenturms. Sie wurde bereits 1848 gebaut und führt den Inneren Stadtgraben über den Stadtbach. Das Bauwerk ist 12, 3 m lang, 2 m breit und 0,9 m hoch. Die Zirbelnuss-Kanal-Brücke ist denkmalgeschützt und wurde 1984 saniert.

Hochablass Augsburg mit Walzenwehr

Hochablass Augsburg (UNESCO-Welterbe Augsburgs historische Wasserwirtschaft)

Der Hochablass staut das Wasser der Lech und leitet es über den Hauptstadtkanal in die Stadt. 1346 wird erstmals ein Stauwehr an dieser Stelle erwähnt. Dieses Stauwehr war über Jahrhunderte ein Zankapfel zwischen Augsburg und den bayerischen Herzögen. Mehr als einmal mussten deutsche Kaiser vermitteln. Außerdem wurden die Wehre immer wieder durch Hochwasser zerstört, zuletzt 1910. 1911–12 erbaute man die heutige Anlage als Stahlbetonkonstruktion. Sie besteht aus drei Abschnitten mit einer Gesamtlänge von 145 m.

Das Foto oben zeigt (von links nach rechts) zwei Abschnitte: Auf die drei linken Wehre folgt ein Walzenwehr. Die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) ließ diese Technik 1902 patentieren. Walzenwehre sind inzwischen weltweit verbreitet. Rechts des Glockenturms folgen zwei Wehre, eine Fischtreppe und eine Kiesschleuse.

Augsburg Goegginger Waeldchen

Wasserwirtschaft: Fehler und Lösungen

Die Wertach ist auch ein Beispiel für historische Fehlentwicklungen von Augsburgs Wasserwirtschaft: Die Begradigung erhöhte die Abflussgeschwindigkeit, wertvolle Auenwälder wurden abgeholzt; Staustufen waren für Fische unüberwindliche Hindernisse. Folge waren u. a. Überschwemmungen. Das Projekt Wertach-Vital soll diese Eingriffe rückgängig machen: Die Fotos zeigen den Zustand vor und nach den Renaturierungsmaßnahmen: Die Wertach hat mehr Platz sich auszudehnen. Mehr Infos unter: https://www.wwa-don.bayern.de/hochwasser/hochwasserschutzprojekte/wertachvital/index.htm)

Warum ist Augsburgs historische Wasserwirtschaft UNESCO-Weltkulturerbe?

Die UNESCO hat im Jahr 2019 Augsburgs historische Wasserwirtschaft zum Weltkulturerbe erklärt, weil zwei (von sechs) Weltkulturerbe-Kriterien erfüllt sind:

„Kriterium (ii): Das Wassermanagement-System von Augsburg hat bedeutende technische Neuerungen hervorgebracht, die Augsburgs führende Rolle als Pionier im Wasserbau gefestigt haben. Die strikte Trennung zwischen Trink- und Treibwasser wurde schon 1545 eingeführt,  […]. Ein internationaler Austausch von Ideen zur Wasserversorgung und Wassergewinnung entwickelte sich, der umgekehrt die lokalen Ingenieure zu bahnbrechenden technischen Neuerungen inspirierte, […] .

Kriterium (iv): Das Wassermanagement-System von Augsburg veranschaulicht die Nutzung von Wasserressourcen und die Bereitstellung von reinem Trinkwasser als Grundlage für das kontinuierliche Wachstum einer Stadt und für ihren Wohlstand seit dem Mittelalter. […] .“ (Übersetzung durch das Auswärtige Amt; Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2256608/d8c7c191f84321977f74c92e60d2dac5/46-augsburger-wassermanagement-data.pdf)

Führungen & Touren durch Augsburgs Altstadt

Die Wasserwirtschaft und andere Sehenswürdigkeiten in Augsburg lassen sich bei einem geführten Augsburg-Stadtrundgang entdecken:

* kommerzieller Link

UNESCO-Welterbe in Augsburgs Nähe

Höhlen bei Ulm

Blick aus der Bocksteinhöhle ins Lonetal

Höhlen und Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura: In zwei Tälern bei Ulm hat man u. a. die ältesten Musikinstrumente der Welt entdeckt. Auch heute wird in den Höhlen Musik geboten.

Wieskirche (Alpenvorland)

Wieskirche in front of the Alps

Von Augsburg lechaufwärts kommt man nach Steingaden, wo die Wieskirche steht. Die farbenfrohen Deckenbilder und die goldverzierten Stuckarbeiten machen die Wallfahrtskirche zu einem Juwel des Rokoko.

Weitere UNESCO-Welterbestätten

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